Künftig genügt ein Nein der Betroffenen, damit Sex ohne Zustimmung als Vergewaltigung gilt. Am Dienstag hat der Ständerat nach monatelangen Diskussionen einer Lösung zugestimmt, die das Schweizer Sexualstrafrecht modernisiert. Auch das sogenannte Freezing, wenn Opfer in eine Art Schockstarre fallen, gilt als Nein. Von einer «kleinen Revolution» war die Rede – zweifellos ein wichtiger Schritt. Nur ist damit die Arbeit nicht getan.
Gemäss einer Erhebung von GFS Bern zeigen nur acht Prozent aller von sexueller Gewalt betroffenen Frauen die Tat überhaupt an. Die anderen Opfer schweigen. Aus Scham. Oder aus Angst, dass man ihnen nicht glaubt. Dieses Gefühl trügt sie nicht: Zeigen Betroffene ein Sexualdelikt an, müssen sie einiges auf sich nehmen.
Dass Betroffene auch in einem fairen Strafverfahren wiederholt intimste Details der Tat preisgeben müssen, gehört zwar dazu. Anderes aber definitiv nicht: Betroffene schildern immer wieder, dass ihnen Staatsanwältinnen oder Richter eine Mitschuld unterstellen. Je nachdem, welche Kleidung sie damals getragen, wie viel sie getrunken haben. Nicht selten führen die Verfahren zu einer Retraumatisierung.
Solche Unterstellungen zeigen, wie antiquierte oder schlicht falsche Vorstellungen von Geschlechtsverkehr und – schlimmer noch – über «richtige» oder «falsche» Opfer noch immer bei den Behörden verbreitet sind.
Ein Nein ist ein Nein, auch wenn die Frau freiwillig zu einem Mann nach Hause geht. Ein Nein bleibt ein Nein, auch wenn eine Frau sich zu ihm ins Bett legt.
Hier müssen die Strafverfolgungsbehörden nachbessern. Weiterbildungen dazu, wie Opfer sexueller Gewalt respektvoll befragt werden, sollten zum Standard gehören. Vor allem Richter aber sperren sich bisweilen notorisch dagegen, wie Experten sagen. Auch die Unterstützung von Betroffenen muss verbessert werden. Zu oft werden sie mit den Belastungen eines Verfahrens allein gelassen.
Eine sinnvolle Option wäre beispielsweise, sogenannte kostenlose psychosoziale Prozessbegleitungen einzuführen, wie es sie in Deutschland und Österreich bereits gibt.
In dieser Hinsicht speziell ausgebildete Sozialarbeiter sind für Betroffene eine Art Vertrauensperson, die ihnen im gesamten Verfahren beisteht. Ziel dieses Vorgehens ist es, eine Retraumatisierung zu verhindern. Die Verfahren bleiben weiterhin belastend, ein Opfer würde aber professioneller betreut. Es wäre ein Anfang.
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