«Das ist ein Akt der Verzweiflung»
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BlickPunkt zur Mobilmachung:«Das ist ein Akt der Verzweiflung»

BlickPunkt über die russische Mobilmachung
Da kommt Putin nicht mehr raus

Für den Herrscher im Kreml läufts gerade gar nicht gut. Leider ist das kein Grund zur Entwarnung: Seit dem Überfall auf die Ukraine hat Putin schon vieles getan, was der Westen für unmöglich hielt.
Publiziert: 24.09.2022 um 00:01 Uhr
Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe.
Christian Dorer, Chefredaktor Blick-Gruppe

In Europa ist man sich einig: Die Teilmobilmachung der russischen Armee ist ein Zeichen der Schwäche, vielleicht sogar ein Akt der Verzweiflung. Wladimir Putin (69) ist am Anschlag, steht mit dem Rücken zur Wand, ohne Aussicht auf einen militärischen Sieg – so die Schlagzeilen dieser Woche.

Russlands Armee galt bisher als eine der stärksten der Welt. Doch deren Soldaten geben ein jämmerliches Bild ab, wenn sie vor den mutigen, taktisch geschickten und selbstbewussten Ukrainern fliehen müssen.

Nun will Russlands Präsident zusätzlich 300’000 ausgebildete Reservisten aktivieren. Damit kommt der Krieg auch im Alltag der 144 Millionen Russinnen und Russen an. Sie fliehen in Scharen aus dem Land. Trotz massiver Repression flammen Proteste auf.

Der Westen freut sich natürlich über dieses Schlamassel des Alleinherrschers. Bloss: Ein Ende des Krieges rückt dadurch keinen Schritt näher. Er könnte sogar noch gefährlicher werden.

Putin droht offen mit dem Einsatz von Atomwaffen, wenn er sagt: «Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland zu verteidigen. Das ist kein Bluff.» Mit Scheinabstimmungen annektiert er die ostukrainischen Gebiete. Wenn künftig dort gekämpft wird, geht es deshalb plötzlich um die Verteidigung des Vaterlandes …

Wie soll Putin dieser Spirale der Eskalation je entkommen?

Er hat den Einsatz zu hoch geschraubt. Zehntausende getötete Soldaten, die Wirtschaft am Boden, Russland zunehmend isoliert – Putin kann den Wahnsinn jetzt nicht mehr einfach stoppen und zum Alltag zurückkehren.

Und die Ukraine besiegen kann er ebenso wenig: Die angegriffene Nation wird sich weiter verteidigen – das ist verständlich, das ist richtig und das ist keineswegs aussichtslos! Wolodimir Selenski (44) muss gewinnen. Würde Putin siegen, wäre das ein Freipass für weitere Eroberungen.

Deshalb sind nur zwei Dinge gewiss. Erstens: Mit Putin wird es keine Lösung geben. Russlands Präsident kommt aus seiner selbstgestellten Falle nicht mehr heraus.

Zweitens ist es bisher immer anders gekommen, als die Experten prophezeit hatten: Putin droht nur! Er wird nie die ganze Ukraine angreifen! Ganz bestimmt nicht Kiew! Schon gar nicht die Westukraine!

All das hat er dann getan: mit Panzern das Land überrollt, die Hauptstadt Kiew angegriffen, Massaker an der Bevölkerung verübt …

Im Augenblick erklären gerade wieder viele, weshalb Putin keine Atomwaffen einsetzen wird: weil das militärisch sinnlos ist, weil die Vergeltungsschläge Russland zerstören würden, weil die Unterstützung durch China und Indien verloren ginge.

Putin ist alles zuzutrauen. Immerhin bleibt die leise Hoffnung, dass es ihm wirklich um sein Land geht und nicht nur um sich selbst. Dass er als derjenige in die Geschichte eingehen will, der alles versucht hat, die alte Sowjetunion wiederherzustellen.

Und nicht als der, der alles mit sich in den Abgrund gerissen hat.

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