Einmal mehr setzt die Linke alles daran, eine AHV-Reform zu bodigen. Ihre Argumente im Abstimmungskampf sind geprägt von:
- Realitätsverweigerung: SP und Grüne tun so, als sei bei der AHV alles im Lot. Dabei ist absehbar, dass es an Geld fehlen wird, wenn die Menschen ständig älter werden.
- Irreführung: Ein Kampagnen-Slogan der Gegner lautet: «Bald bis 67 arbeiten? Nein zum Renten-Abbau.» Dabei geht es bei der Vorlage weder um das eine noch um das andere.
- Verantwortungslosigkeit: Es ist einfach, alle Vorschläge abzulehnen. Doch dann müssen kommende Generationen zahlen, was die heutige zu viel ausgibt.
Wer die AHV in Schieflage bringt, handelt verantwortungslos. Dabei ist keine andere Institution so sozial aufgebaut. Seit 1948 ermöglicht die AHV zusammen mit den Pensionskassen allen Rentnerinnen und Rentnern ein würdiges Leben. Weil Millionensaläre gleich besteuert werden wie kleine Löhne, sorgt unser Rentensystem für eine gigantische Umverteilung von Reich zu Arm. Neun von zehn Versicherten, so rechnete die «NZZ am Sonntag» vor, beziehen mehr Rente, als sie während ihres Berufsleben einzahlen.
Dass wir alle immer älter werden, ist wunderbar, aber ein grosses Problem für die AHV: Bei deren Gründung hatten Männer zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung im Durchschnitt noch zwölf Jahre zu leben, heute sind es 19! Bei den Frauen betrug die Spanne damals 13, heute sind es 23 Jahre.
Länger leben bedeutet, länger Rente zu beziehen. Da sich die Mathematik nicht ausser Kraft setzen lässt, gibt es nur drei Lösungen: mehr Geld in die AHV einzahlen, die Renten senken, länger arbeiten – oder eine Kombination davon.
Die «AHV 21», über die am 25. September abgestimmt wird, enthält zwei Elemente: Das Frauenrentenalter steigt schrittweise von 64 auf 65 Jahre. Und die Mehrwertsteuer steigt von 7,7 auf 8,1 Prozent. Diese Vorlage sichert die Renten immerhin für die nächsten zehn Jahre.
Die Linke wehrt sich gegen beides – aus unverständlichen Gründen: Wieso soll Gleichberechtigung nicht auch gleiches Rentenalter bedeuten (selbstverständlich verbunden mit dem Kampf gegen jegliche Ungerechtigkeit, die Frauen nach wie vor erfahren)? Für wen soll die vorgesehene sanfte Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht verkraftbar sein? Wer 100 Franken ausgibt, zahlt künftig 40 Rappen mehr – bei 100 Franken für Lebensmittel sind es sogar nur 10 Rappen mehr.
Die Linke, an vorderster Front die SP, hatte bisher die Kraft, jede Rentenreform zu verhindern. Ihre Meinungsführerschaft in Umweltfragen hat die Partei längst an die Grünen verloren – umso wichtiger ist ihr der verbliebene Einfluss in sozialen Fragen.
Daher geht es für die SP bei dieser Abstimmung nicht bloss um Sieg oder Niederlage. Es geht um ihre Vorherrschaft in der Sozialpolitik – und um die Frage, ob die Bürgerlichen in diesen Fragen ihre Zustimmung brauchen oder nicht.
Die Bürgerinnen und Bürger sollten diesen Machtpoker der SP im Auge haben, wenn sie ihre Stimmzettel ausfüllen.