Prognosen, die sich als falsch erweisen, sollte in Zeiten von Corona niemand übel nehmen. In dieser historisch beispiellosen Situation irren sich ständig alle.
Auch dass die Lagebeurteilungen meist zu pessimistisch ausfallen, hat seinen Grund: Lieber bereitet man sich auf das Schlimmste vor, als sich vorwerfen zu lassen, die Gefahr nicht ernst genommen zu haben.
Doch vor lauter Warnungen gehen derzeit die Good News unter: Das Jahr 2022 ist bedeutend besser gestartet, als viele vermutet hätten!
Erinnern wir uns: Die Omikron-Variante galt bei ihrem Auftauchen als «schlimmstmögliche Entwicklung», «ernsthaft besorgniserregend» und «hoch alarmierend».
Vor Weihnachten prognostizierte die Corona-Taskforce des Bundes für den Jahresanfang 25'000 Fälle pro Tag und deutlich höheren Druck auf die Spitäler.
Genau genommen sind daraus sogar weit über 30'000 Fälle pro Tag geworden. Doch wieder einmal hat die Realität allen Prognosen ein Schnippchen geschlagen: Die Zahl der Spitaleintritte sank, auch die Intensivstationen sind etwas weniger stark belastet, weil die allermeisten Geimpften einen milden bis symptomfreien Verlauf der Krankheit erleben.
So könnte nun endlich eintreffen, was Virologen mit Verweis auf die Geschichte der Pandemien bereits zu Beginn vermuteten: Auch Covid-19 wird immer ansteckender, verliert aber seine Gefährlichkeit.
Punkto Ansteckungstempo ist die Lage in der Schweiz total ausser Kontrolle geraten. Das ganze Land wird gerade durchseucht – nicht absichtlich, sondern durch die schiere Macht des Faktischen. Hoffen wir, dass wir weiter halbwegs glimpflich davonkommen!
Zugleich ist die Schweiz mit ihren vergleichsweise zurückhaltenden Massnahmen trotz Omikron bis heute gut gefahren – auch dies allerdings nicht dank einer genialen Strategie des Bundesrats, sondern weil dort derart unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, dass kein hartes Durchgreifen entsteht, sondern nur ein mehr oder weniger zufälliges Durchwursteln.
Prognosen sind weiterhin schwierig – doch die Hoffnung scheint erlaubt, dass sich die Pandemie nun tatsächlich auszulaufen beginnt.
Und selbst wenn nicht, liegt das Schlimmste ziemlich sicher hinter uns. Gesellschaft und Politik dürften bald den Kopf freihaben, um sich um die Folgeschäden zu kümmern: die weltweite Hungersnot, die unterbrochenen Lieferketten, die wiedererwachte Inflation, die historische Staatsverschuldung …
Der deutsche Top-Ökonom Hans-Werner Sinn (73) zieht heute im grossen Blick-Gespräch den Vergleich zu den 1920er-Jahren und sagt: «Am meisten leidet das Kleinbürgertum, also Leute mit bescheidenen Sparbüchern und Versicherungsverträgen, aber keinem Realkapital.»
Durchaus denkbar, dass die grössten Probleme erst noch auf uns zukommen ...