Staatshilfe für die Axpo
Es geht um mehr als Boni

Das grösste Energieunternehmen der Schweiz braucht Milliarden Steuergelder – wollte aber erst nicht auf Bonuszahlungen für seine Manager verzichten. Ein Hohn für alle, die jetzt den Gürtel enger schnallen müssen.
Publiziert: 11.09.2022 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2022 um 15:46 Uhr
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Am Montag hat der Bundesrat per Notrecht beschlossen, der Axpo bis zu vier Milliarden Franken zur Verfügung zu stellen, um deren Liquiditätsprobleme zu verhindern.
Foto: keystone-sda.ch
Christian Dorer

Die seltsamste Aussage dieser seltsamen Woche stammt von Christoph Brand (53). Der «Tages-Anzeiger» fragte den Axpo-Chef, ob er angesichts der Staatshilfe für den Energiekonzern auf seinen Bonus verzichte. Seine Antwort: «Das ist das Allerletzte, über das ich mir im Moment Gedanken mache. Ausserdem wird das vom Verwaltungsrat festgelegt, nicht von mir.»

Am Montag hatte der Bundesrat per Notrecht beschlossen, der Axpo bis zu vier Milliarden Franken zur Verfügung zu stellen. Wegen der Kapriolen am Strommarkt befürchtet die Konzernspitze, ohne staatliche Hilfe in Liquiditätsprobleme zu geraten. Der grösste Stromkonzern des Landes zahlungsunfähig – das hätte dramatische Folgen!

Deshalb springt der Staat ein – wie immer, wenn es für einen Grosskonzern brenzlig wird – wie 2002 bei der Swissair, wie 2008 bei der UBS.

Im letzten Jahr kassierte CEO Brand einen Fixlohn von 629‘000 Franken und einen Bonus von 585‘000 Franken. Nun mag man einwenden: Hat das Land keine anderen Sorgen als das Erfolgsgehalt seiner Manager – in Zeiten von Krieg, Energiekrise und Inflation?

Das Problem: Es geht um bedeutend mehr als diesen einen Bonus!

Der Bundesrat hat soeben an das Volk appelliert, man solle zusammenstehen, sparen, mithelfen, solidarisch sein. Viele Normalverdienende erwarten schwierige Zeiten: Der Strompreis steigt nächstes Jahr um 27 Prozent, die Krankenkassenprämie um bis zu 10 Prozent, die Teuerung betrug im August 3,5 Prozent. Und am Donnerstag kam der Uno-Weltreport zum Schluss: «Die Lebensverhältnisse der Menschen haben sich im Jahr 2021 in neun von zehn Ländern verschlechtert.»

Der Blick sprach mit Schweizerinnen und Schweizern, die wegen steigender Preise vor echten Problemen stehen. Tierpflegerin Claudia Gibba (46) muss demnächst aufs Sozialamt, damit sie überhaupt noch über die Runden kommt: «Ich würde einfach gerne ohne Existenzängste leben und meine Rechnungen jederzeit zahlen können.» Oder die pensionierte Verkäuferin Claire Sottas-Blattmann (70) aus Genf, Rente 4200 Franken: «Restaurantbesuche sind gestrichen, neue Schuhe auch.»

Wenn Christoph Brand zwar staatliche Hilfe beansprucht, aber nicht auf seinen Bonus verzichten will, signalisiert er damit ungewollt: Diese Leute gehen mich nichts an!

Und falls der Axpo-Chef weiterhin nicht selber spürt, wie gefährlich diese Haltung ist, hilft hoffentlich die Politik nach. Die SP fordert zu Recht ein Boni-Verbot für Unternehmen, die Staatshilfe in Anspruch nehmen.

Im Interview mit SonntagsBlick korrigiert Brand jetzt immerhin ein bisschen nach: Falls die Axpo tatsächlich Bundeskredite beziehe, würde er während der Zeit bis zur Rückzahlung auf seinen Bonus verzichten.

Dabei wäre es so einfach gewesen: Er hätte auf die eingangs erwähnte Frage bloss mit Ja antworten müssen.

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