Von meinem Abenteuer am Flughafen habe ich letzte Woche berichtet. Ich habe behauptet, ich hätte es mit Fassung getragen. Das stimmt nicht ganz. Als nach langem Hin und Her und angespanntem Warten feststand, dass ich nicht fliegen würde, brach ich in Tränen aus. Der Grenzbeamte, durch seine Tätigkeit offenbar abgebrüht, warf mir meinen Pass in den Schoss und sagte: «Viel Glück, Ma'm.»
Ich versuchte, mich zu fassen, bevor ich mich zum Gate begab. Doch die Tränen liefen mir noch übers Gesicht, als ich versuchte, das Bodenpersonal auf mich aufmerksam zu machen. Die beiden Angestellten ignorierten mich gekonnt.
«Also, Moser können wir jetzt streichen, nicht?», fragte die eine ihre Kollegin.
«Ja, die fliegt definitiv nicht.»
Und dann beklagten sie sich über den Stress und die Aufregung, die sie sich nach einem Jahr Pandemie gar nicht mehr gewohnt waren. «Wie wird das erst, wenn wir wieder vier Schichten hintereinander haben?»
Das fragte ich mich allerdings auch. In diesem Moment, ich gebe es zu, war meine Verzweiflung bodenlos. Zu der ungewissen Situation kam das Gefühl dazu, dass ich sie irgendwie selbst verschuldet hatte, dass ich damit ein Ärgernis darstellte. Kurz, ich schämte mich für mein Unglück.
Als ich das meinen Freunden erzählte, hatten fast alle schon einmal etwas Ähnliches erlebt. Ich kenne offenbar niemanden, der nicht in einem verwundbaren Moment noch zusätzlich verletzt wurde. Und zwar genau von denen, deren Job es wäre zu helfen:
Die Schwangere mit der aktiven Toxoplasmose, einem für das Ungeborene sehr gefährlichen Parasiten. Das rettende Medikament, das eine Übertragung verhindern könnte, wird ihr von der Apothekerin verweigert: Das sei aber schon sehr ungewöhnlich, und was, wenn die Krankenkasse das dann nicht zahle?
Der frisch Verwitwete, der versucht, die Nebenkostenrechnungen auf seinen Namen umzuschreiben. Weil es ihm jedes Mal einen Stich versetzt, den Namen seiner verstorbenen Frau auf dem Umschlag zu lesen. Weil dann jedes Mal wieder die wilde Hoffnung aufflackert, die auch seine Träume beherrscht: Was, wenn sie gar nicht gestorben ist? Wenn das alles nur ein Missverständnis ist? «Nicht unser Problem. Solange die Adresse noch stimmt.»
Die Patientin mit den schwer diagnostizierbaren Symptomen, der auf ihrer Odyssee durch Arztpraxen und Kliniken immer wieder vorgeworfen wird, sie simuliere: «Geben Sie doch einfach zu, dass Sie nicht gern arbeiten!»
Muss man jemanden treten, der schon am Boden liegt? Nein. Aber man kann. Und das ist für manche offenbar Rechtfertigung genug. Dabei braucht es nicht viel, um eine schwierige Situation zu erleichtern. Etwas Mitgefühl, auch wenn man nicht gleich eine Lösung anzubieten hat. Ein freundliches Wort.
Bei mir war es die Springerin, die für die erstaunlich zahlreichen ungetesteten Passagiere zuständig war und die sich schliesslich meiner annahm. Sie schrieb mir die Nummer des Gepäckbands auf und drückte meinen Arm.
«Das wird schon wieder», sagte sie. «Sie sind nicht die Einzige, der so was passiert.»
Sofort fühlte ich mich besser. Mehr brauchte ich nicht. Ein freundliches Wort. So wenig, so viel.