Wenn ich mich in der Schweiz aufhalte, benutze ich jeweils ein altes Chnöpflihandy von der Marke Nokia. Es sorgt zwar überall für Heiterkeit, hat mir aber immer gute Dienste geleistet. Ausgelacht werde ich ja auch, wenn ich mein relativ neues amerikanisches Smartphone benutze: Weil ich es mit beiden Händen festhalte, um die Kamera zu bedienen, dafür einhändig und mit dem Zeigefinger meine Nachrichten eintippe, sehr viel langsamer, als das offenbar mit beiden Daumen ginge.
Genau genommen löst mein Verhalten grössere Heiterkeitsstürme aus als meine Geräte. Das stört mich nicht einmal besonders. Der unausweichliche Prozess des Alterns hat mich zwar durchaus irritiert, als er einsetzte. Das ist aber schon eine ganze Weile her. Spätestens mit fünfzig hatte ich ihn nicht nur akzeptiert, ich kann ihm seither auch einiges abgewinnen. Ab und zu als «Boomer» ausgelacht zu werden, ist ein kleiner Preis für steigendes Selbstbewusstsein im wörtlichen Sinn: Zu wissen, wer ich bin.
Nein, das Irritierende ist die Unberechenbarkeit der Technik und meine Abhängigkeit von ihr. Neulich wollten wir nach Luzern fahren, zwei von Zürich aus, die dritte würde in Thalwil zusteigen. Als ich meine Freundin am Perron nicht gleich entdeckte, zog ich mein zuverlässiges Nokia aus der Tasche – und es war tot. Dabei hatte ich es doch extra noch aufgeladen! Aber nichts. Kein Wank. Schuldbewusst erinnerte ich mich, dass ich am Vortag ein Bild des alten Handys gepostet hatte, das auch virtuell für Erheiterung sorgte. Kein Wunder, war es nun beleidigt in Streik getreten. Ich konnte es ihm nicht einmal verdenken. Verzweifelt versuchte ich, mein amerikanisches Handy mit dem Bahnhofs-WiFi zu verbinden, aber das konnte natürlich die dafür notwendige Bestätigungs-SMS nicht empfangen. Und meine Freundin war nirgends zu sehen. Was, wenn sie mich aufgegeben hatte? Gar nicht eingestiegen war? Auf den nächsten Zug wartete? Die Lokomotive pfiff schon, als ich im letzten Moment einstieg.
Wie haben wir das bloss früher gemacht?, fragte ich mich, als ich mich auf den nächsten freien Platz fallen liess. Und erinnerte mich an eine Geschichte, die eine junge Frau in einem Schreibkurs vorgelesen hatte. Genüsslich beschrieb sie darin das ziegelsteingrosse Handy ihres ersten Freundes, das mit einer ausfahrbaren Antenne ausgerüstet war und das er an seinem Gürtel befestigt hatte wie ein Westernheld seinen Colt. Die ganze Gruppe bog sich vor Lachen. Dabei lag das damals noch gar nicht so lange zurück.
Nun, irgendwie fanden wir uns auch so alle drei in Luzern wieder. Doch am nächsten Morgen stapfte ich entschlossen in den Handyladen. So konnte es nicht weitergehen! Ich würde ein moderneres Modell kaufen, schliesslich würde ich mich in Zukunft ja hoffentlich wieder öfter in der Schweiz aufhalten.
Zugegeben etwas umständlich erklärte ich dem herablassenden jungen Mann mein Problem. Sein Blick wurde etwas glasig. Von Handyverkäufern wie eine vollkommene Idiotin behandelt zu werden, gehört zu den weniger schönen Begleiterscheinungen des Alters. Allerdings gebe ich ihnen auch immer guten Grund dazu. Auch jetzt. Der junge Mann wartete das Ende meiner Ausführungen gar nicht ab, nahm mir das Telefon aus der Hand, drückte auf einen Knopf und: Tüdeldü!
«Und … was ist Ihr Problem?»
Oh, dazu hätte ich nun einiges sagen können, einiges! Aber ich traute mich nicht.