Es ist das erste Mal, dass die Brüder Läderach gemeinsam ein Interview geben: Johannes, der Ökonom, ist Präsident und CEO des Familienunternehmens. Elias, der gelernte Confiseur, der Innovationschef. Im Sitzungszimmer des «House of Läderach» in Bilten GL steht die Skulptur, mit der er 2018 Schokoladenweltmeister wurde. Und auf dem Tisch stehen – was sonst? – Berge von Schokolade zum Naschen.
SonntagsBlick: Was macht gute Schokolade aus?
Elias Läderach: Nebst der Qualität der Rohstoffe ist die Frische entscheidend. Je schneller es geht, bis die Kakaobohne als Schokolade gegessen wird, desto besser.
Und wie verdient man mit Schokolade gutes Geld?
Johannes Läderach: Indem wir ausschliesslich über unsere eigenen Filialen verkaufen. Wir sind ein unabhängiges Familienunternehmen und machen gerne alles selber.
Der Schoggi-Markt schwindet, und Sie wachsen: Wie machen Sie das?
Johannes: Die Menschen konsumieren bewusster und qualitativ hochwertiger. Das ist gut für Läderach. Wir wachsen stark im Ausland. Gleichzeitig geht ein wichtiger Teil des sinkenden Schokoladenkonsums in der Schweiz auf die ausbleibenden Touristen zurück.
Haben die Menschen dafür im Homeoffice mehr Schokolade gegessen?
Johannes: Schokolade ist in einer Krise stärker gefragt, weil man sich etwas Gutes tun will.
Eine Angestellte bringt für jeden einen sogenannten Signature Drink. Um die Kakaobohne liegt eine weisse Pulpa. Sie wird zur Fermentation verwendet und schmeckt ähnlich wie Litschi – fruchtig, blumig, süss. Dieser Fruchtsaft wurde mit Tonicwater und einer Infusion mit Kakaonibs zu einem Drink gemischt.
Wie wählen Sie Ihre neuen Märkte aus?
Elias: Wir sind in Ländern aktiv geworden, aus denen wir viele Touristen bereits in der Schweiz mit unserer Schokolade begeistern konnten.
Ist Läderach in Russland tätig – und falls ja: Bleiben Sie es?
Johannes: Läderach ist nicht in Russland tätig, weder mit eigenen Filialen noch mit einem Onlineshop. Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine ist ein Markteintritt in Russland aktuell keine Option für uns.
Wer liebt welche Schokolade?
Elias: Weltweit führen dieselben beiden die Rangliste an: Auf Platz 1 steht Haselnuss-Milch, gefolgt von Mandel dunkel.
Gibt es saisonale Unterschiede?
Johannes: Wichtiger sind die unterschiedlichen Feiertage – Ramadan, chinesisches Neujahr, Valentinstag. Der ist in den USA sehr wichtig. Nur Weihnachten ist überall wichtig.
Und Ostern mit den Hasen?
Johannes: Was den Schokoladenverkauf betrifft, ist Ostern auch in China und im Mittleren Osten wichtig.
Welches Ihrer 16 Länder macht Ihnen Bauchweh?
Johannes (überlegt): Am meisten Aufmerksamkeit brauchen derzeit die USA, wo wir im letzten Jahr 34 Standorte vom Schokoladenhersteller Godiva übernommen haben. Es ist eine grosse Herausforderung, innert wenigen Monaten 300 neue Mitarbeitende zu schulen und einzuarbeiten. Die starke Nachfrage macht aber weniger Bauchweh als vielmehr Freude.
Die Menschen leben gesünder: ein Problem für Sie?
Johannes: Die Menschen sind Genusswesen. Die Freude wird heute bewusster zelebriert. Das hilft den Premium-Herstellern.
Wie reagieren Sie auf die Nachfrage nach veganen Produkten?
Elias: Spätestens im Herbst lancieren wir nach langer Entwicklung eine vegane Milchschokolade – mit Cashewnuss-Milch.
Wann wird die gesunde Schokolade erfunden?
Elias: Je dunkler die Schokolade ist, desto gesünder ist sie. Kakao an und für sich ist sehr gesund. Zudem macht Schokolade glücklich, was ja auch gesund ist.
Johannes: Schauen Sie uns zwei an, es hat uns nicht geschadet (lacht).
Wie schaffen Sie es, schlank zu bleiben?
Johannes: Ich esse konsequent nur unsere Marke (schmunzelt).
Elias: Ich weiss auch nicht. Auf alle Fälle essen wir jeden Tag Schokolade. Beim Arbeiten, aber auch in der Pause.
Wie war das, als Sie Kinder waren?
Johannes: Wir wuchsen oberhalb unserer Schokoladenfabrik auf. Da wurde der Konsum von unseren Eltern reglementiert. Einmal nutzten wir die Gelegenheit, als wir unserer Au-pair sagten, wir dürften so viel essen, wie wir wollten – und sie dies glaubte.
Wieso produzieren Sie alles im Glarnerland?
Johannes: Gemeinsam mit der Uhrenindustrie sind wir eine Familie, die die Marke «Schweiz» kultiviert. Das ist für die Kunden ein wichtiges Kriterium. Im Ausland fragen sie oft nach, ob die Schokolade auch tatsächlich in der Schweiz hergestellt wurde.
Den Kakao beziehen Sie aus Afrika und Südamerika. Ist Bohne nicht gleich Bohne?
Elias: Wie bei den Weintrauben gibt es riesige Unterschiede. Meine Lieblingsschokolade ist diejenige aus Madagaskar. Dort hat die Bohne ein fruchtig-blumiges Profil. Man muss auf solche Eigenschaften beim Rösten und Conchieren eingehen und mit der Bohne zusammenarbeiten. Wir analysieren, was die beste Schokolade für eine bestimmte Bohne ist, was die beste Rösttemperatur und die beste Röstzeit.
Was ist das Geheimnis Ihrer Rezepte?
Elias: Es gibt zwei grosse Geheimnisse: die Qualität der Rohstoffe und die Frische.
Das ist doch nicht geheim.
Elias: Natürlich gibt es spezielle Rezepturen und Prozesse. Heute ist das alles digital, doch von unserem Grossvater haben wir noch A6-Kärtchen, auf denen er die Rezepte von Hand notiert hatte.
Wie erfinden Sie eine neue Schokolade?
Elias: Ein interdisziplinäres Team trifft sich monatlich zu einem Innovationsmeeting. Dort probieren wir Dinge aus. Manchmal kommen die Ideen von uns, manchmal von Kunden, etwa die Minimousse.
Bei welcher Temperatur schmeckt Schokolade am besten?
Elias: Gelagert werden sollte sie zwischen 16 und 18 Grad, konsumiert bei Raumtemperatur. Wichtig: nie direkt aus dem Kühlschrank essen! Die Aromen von fünfgrädiger Schokolade können sich nicht entfalten.
Wann war für Sie klar, dass Sie im Familienunternehmen arbeiten werden?
Elias: Ich wollte Wildhüter werden. Meine Eltern übten keinerlei Druck aus, doch sie lebten vor, wie schön das Arbeiten im Familienbetrieb ist. Und so entschied ich mich schliesslich für eine Lehre als Confiseur.
Die Schokoladenfabrik Läderach wurde 1962 in Ennenda GL gegründet und ist bis heute in
Familienbesitz. Im Dezember hat die dritte Generation übernommen: Johannes Läderach
(36) ist Verwaltungsratspräsident und CEO, Elias Läderach (34) Produktechef und
amtierender «World Chocolate Master», David Läderach (26) Chef des
Deutschlandgeschäfts und Verwaltungsrat. Das Unternehmen beschäftigt rund 1300
Mitarbeitende, hat eigene Läden in 16 Ländern und ist in den vergangenen Jahren stark
gewachsen. Produziert wird ausschliesslich im Glarnerland: Ennenda und Bilten.
Die Schokoladenfabrik Läderach wurde 1962 in Ennenda GL gegründet und ist bis heute in
Familienbesitz. Im Dezember hat die dritte Generation übernommen: Johannes Läderach
(36) ist Verwaltungsratspräsident und CEO, Elias Läderach (34) Produktechef und
amtierender «World Chocolate Master», David Läderach (26) Chef des
Deutschlandgeschäfts und Verwaltungsrat. Das Unternehmen beschäftigt rund 1300
Mitarbeitende, hat eigene Läden in 16 Ländern und ist in den vergangenen Jahren stark
gewachsen. Produziert wird ausschliesslich im Glarnerland: Ennenda und Bilten.
Johannes: Die Eltern machten es sehr clever. Sie bezogen uns früh ein und redeten viel übers Geschäft. So haben wir Lust bekommen mitzuarbeiten. Ich habe dann Wirtschaft studiert. Zum Glück sind wir so unterschiedlich und ergänzen uns.
Bei welchen Fragen streiten Sie sich?
Johannes: Elias ist unser Qualitätsfanatiker. Wir haben uns kürzlich über koschere Schokolade gestritten. Ich sagte, dass wir das unbedingt anbieten müssen. Er sagte, er wolle sich bei den Rohstoffen nicht einschränken lassen. Wir fanden einen guten Kompromiss mit einem Teilsortiment.
Was tun Sie, wenn Sie keinen Kompromiss finden?
Elias: Wenn einer ein schlechtes Bauchgefühl hat, dann verschieben wir den Entscheid. Manchmal fehlt einem spontan das Argument, aber man merkt, dass es sich nicht richtig anfühlt. Damit man in der Hitze des Gefechts keine Fehler macht, sind solche Pausen wertvoll.
Ihre Familie steht für christlich-konservative Werte ein, Ihr Vater ist Präsident der strenggläubigen «Christen für die Wahrheit». Welche Rolle spielt der Glaube in Ihrem Leben?
Johannes: Persönlich gibt mir der christliche Glauben Halt und Hoffnung. Wir haben aber immer versucht, Unternehmen und Familie zu trennen. Wir stehen zu unseren Werten, doch im Unternehmen haben wir eine komplette Offenheit. Wir haben eine Charta geschaffen. Zudem verfügen wir über eine unabhängige externe Ombudsstelle, bei der allfällige Verletzungen unserer Werte auch anonym gemeldet werden können.
Der Medienchef verteilt sie. Ihr Titel: «Für uns ist jeder Mensch einzigartig und wertvoll.» Und weiter: «Unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, Alter, religiöser Überzeugung, sexueller Orientierung, der Lebensweise, ihren Fähigkeiten oder möglichen Einschränkungen.»
Entspricht die Charta wirklich Ihrer Überzeugung, oder mussten Sie reagieren, weil es einen Shitstorm gegen Läderach gegeben hat?
Johannes: Das ist meine grosse Überzeugung. Der christliche Glaube ruft zu Respekt auf. Ich versuche in jedem Dialog die Haltung zu haben, dass der andere recht haben könnte und etwas weiss, was ich noch nicht weiss.
Wenn Kundinnen und Kunden Ihre Produkte kaufen, dann unterstützen sie ungewollt den «Marsch fürs Leben», der sich gegen Abtreibungen und gegen gleichgeschlechtliche Ehen ausspricht.
Johannes: Läderach unterstützt als Unternehmen in keiner Art und Weise christliche Organisationen. Wir sind bei Läderach über 50 Nationalitäten, 60 Prozent Frauen in Führungsfunktionen, haben alle Weltanschauungen, alle Religionen und leben das ganze Spektrum von Diversität.
Läderach ist zu 100 Prozent in Familienhand. Was Sie oder Ihr Vater spenden, ist das, was die Firma erwirtschaftet hat.
Johannes: Wir fragen keinen unserer 1300 Mitarbeitenden, was sie privat mit ihrem Geld machen. Wir ermutigen sie sogar, in einem Milizsystem wie der Schweiz für ihre Überzeugungen einzustehen. Die Unterschiedlichkeit und Vielfalt von Meinungen macht die Schweiz stark. Das leben auch wir als Eigentümer.
Die Swiss hat Läderach 2019 aus ihren Flugzeugen gekippt, nach Protesten aus der Belegschaft. Wie nachhaltig hat Ihnen das geschadet?
Johannes: Vom Umsatz her hat es uns nicht geschadet. Wir haben damals aber unglücklich kommuniziert und Missverständnisse zu spät ausgeräumt. Etwa, dass die Swiss uns nicht gekündigt hat, sondern dass ein Vertrag ausgelaufen war und auch mit keinem anderen Hersteller erneuert wurde.
Teile des Swiss-Personals haben damals gegen Läderach-Schokolade protestiert.
Johannes: Der damalige CEO sagte uns, dass er keinen Vorbehalt hätte, bei einer Wiederaufnahme mit uns zusammenzuarbeiten.
Was haben Sie damals falsch gemacht?
Johannes: Ich habe auf einen falschen Rat gehört. Jemand sagte zu mir: Johannes, du hast immer versucht, den Glauben vom Geschäft zu trennen, dann darfst du jetzt auch nicht auf die Vorwürfe eingehen, sonst vermischst du das. Das war ein Fehler. Ich habe zu spät klargestellt, dass Läderach offen ist für alle und es nicht an mir ist, irgendjemanden für irgendetwas zu verurteilen.
Wie ist das bei Läderachs am Familientisch: Geht es da immer ums Geschäft?
Elias: Wir reden im Geschäft manchmal über etwas Privates und privat manchmal über das Geschäft. Als Familienunternehmen kann man das nicht scharf trennen.
Sie haben beide erst übernommen, trotzdem die Frage: Wie stehts um die nächste Generation?
Johannes: Ein Familienunternehmen sollte tatsächlich immer bereits an die nächste Generation denken. Ich bin Vater von drei kleinen Kindern. Mir ist wichtig, dass ich genügend Zeit mit ihnen verbringe, damit sie nicht das Gefühl haben, das Geschäft stehle dem Papi die Zeit. Wir nehmen sie oft mit ins Geschäft und hoffen, so die Freude zu wecken.
Elias: Ich möchte die Freude weitergeben, was man mit Schokolade alles machen kann. Was sie dann machen wollen, müssen sie entscheiden. Sonst kommt es nicht gut. Ich habe ebenfalls drei Kinder, und unser Bruder David hat auch schon sein erstes.