Lieber Pedro Lenz, wir haben denselben Jahrgang. Auch ich bin von Kindesbeinen an Fussballfan – von einem anderen Verein zwar, aber bei der Nationalmannschaft treffen wir uns. An Weltmeisterschaften während der Schulzeit tauschte ich auf dem Pausenplatz Panini-Bildchen (zwei Deutsche für einen Johan Cruyff!), später stellte ich zu jedem Match zwei passende Länderbiere kalt, um sie während der TV-Übertragung genüsslich zu kippen.
Und jetzt diese WM: Da haben sich zwei gefunden! Ein homophobes Land und ein Sport ohne Outing, eine frauenfeindliche Gesellschaft und eine reine Männerriege, ein korruptes Regime und eine bestechliche Organisation. Der infantile Boss entgeistert mit einer bizarren Rede, verbietet jedes Zeichen der Toleranz und Bier! Und die einheimischen Zuschauer nehmen Reissaus bei der ersten Niederlage ihres Teams. Ein richtiger Fan hält dann erst recht zur Mannschaft – das wissen Sie und ich von unseren Vereinen!
«Warum ich trotz allem schaue», schrieben Sie letzte Woche auf dieser Seite. Ich war unentschlossen, hatte diese Woche aber nie Lust, einen Match zu schauen (diesen Text schreibe ich während des Schweiz-Spiels). Und ich habe keine Entzugserscheinungen – weder von Ball noch von Bier. Natürlich nehme ich als informierter Mensch die Ergebnisse zur Kenntnis, aber ich höre lieber Ihre neue Doppel-CD «Es gibt kein Bier in Katar», die Sie unlängst mit den Schwalbenkönigen eingespielt haben.
Denn eines ist klar: Momentan grassiert eher Katarrh als Katar-Fieber – mit dieser WM kann man nicht warm werden.