Katar gewinnt gegen die Schweiz mit 1:0
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2018 – die Blamage von Lugano:Katar gewinnt gegen die Schweiz mit 1:0

Trotz 18 Jahren Vorbereitung
Katar droht der WM-Kater

Seit 2004 versucht Katar, ein erfolgreiches Nationalteam zu züchten. Ein Testspiel-Sieg gegen die Schweiz vor vier Jahren schien den Plan der Scheichs zu bestätigen. Doch nun droht der Gastgeber an der Heim-WM fussballerisch zum Gespött zu werden.
Publiziert: 19.11.2022 um 19:56 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 18:08 Uhr
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Das katarische Nationalteam schottete sich in den letzten drei Monaten mit Trainingslagern in Österreich und Spanien ab.
Foto: AFP
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Sebastian WendelReporter Fussball

Grösser! Schöner! Besser! Um dem Publikum während der WM eine moderne Glitzerwelt vorzugaukeln, scheut Katar keine Kosten und Mühen. Mit mässigem Erfolg: Auch in den Tagen vor Turnierstart dominieren Menschenrechtsverletzungen, die Unterdrückung von Homosexuellen, unterirdische Bedingungen für Gastarbeiter und die Bilder von gekauften Fans die Schlagzeilen. Und nicht der Sport. Können die Katarer ab Sonntag wenigstens auf dem Spielfeld punkten?

Nun: Alles deutet darauf hin, dass das fussballerische Abschneiden des Gastgeberlands weiter Wasser auf die Mühlen der Kritiker und Spötter giesst. Katar droht der WM-Kater!

Löst Katar Südafrika als schlechtester WM-Gastgeber ab?

Den Titel des schlechtesten WM-Gastgebers trägt (noch) Südafrika, das 2010 als bislang einziges Ausrichterland die Gruppenphase nicht überstand. Die «Bafana Bafana» holte jedoch immerhin vier Punkte – eine Bilanz, die für Katar in der Gruppe mit Holland, Ecuador und Senegal unerreichbar scheint. Obwohl sich noch nie ein Team so lang auf eine WM vorbereiten konnte.

Seit 2004 werden die besten Talente im Land aufgespürt und in der hochmodernen «Aspire Academy» gefördert. Diese hat nach der WM-Vergabe an Katar im Jahr 2010 sogar den belgischen Klub KAS Eupen gekauft, um dort die einheimischen Spitzenspieler zu platzieren und an das internationale Niveau heranzuführen.

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Schweiz blamiert sich gegen Katar

Zeitweise schien der millionenschwere Masterplan aufzugehen. Ausgerechnet gegen die Schweiz gewann Katar 2018 in einem Testspiel mit 1:0. Für den damaligen Nati-Coach Vladimir Petkovic bedeutete die Blamage beinahe die Entlassung, die Scheichs fühlten sich bestätigt auf ihrem Weg an die internationale Spitze. Umso mehr, als Katar sich 2019 ohne Punktverlust und dank eines 3:1 im Final gegen Japan den Asien-Cup sicherte.

Doch es blieb bei den zwei Ausreissern nach oben. In den vergangenen drei Jahren, in denen Katar in Wettbewerben auf der ganzen Welt als Gastteam mitspielte, waren keine Fortschritte mehr zu erkennen. In der europäischen WM-Qualigruppe A holte das Team gerade mal so viele Punkte wie Luxemburg.

Als dürfte sich Murat Yakin nur im Kanton Thurgau bedienen

Hauptursache für die fussballerischen Mängel ist der «Fachkräftemangel»: In Katar leben 2,7 Millionen Menschen, 90 Prozent davon sind Gastarbeiter, nur knapp 300'000 Menschen haben den katarischen Pass. Von diesen wiederum sind nur 6000 lizenzierte Fussballer. Das ist, als dürfte Nati-Trainer Murat Yakin nur Spieler aus dem Kanton Thurgau in sein WM-Kader aufbieten.

Eine katarische Multikulti-Truppe mit zahlreichen kurzfristig eingebürgerten Spielern wie an der Handball-WM 2015, als Gastgeber Katar bis in den Final stürmte, wird es an der Fussball-WM nicht geben. Wegen der diesbezüglich strengen Fifa-Statuten. Zwar hat auch Katar Spieler mit ausländischen Wurzeln, die meisten von ihnen sind aber wie die Schweizer Nati-Secondos im Land geboren, für das sie spielen.

Mit einem katarischen Pass geniesst man im Wüstenstaat ein privilegiertes Leben. Die Lust der Katar-Profis, sich im Ausland durchzubeissen, ist entsprechend gering. Die besten des Landes, Akram Afif und Almoez Ali, kehrten schnell wieder aus Europa zurück, nachdem sie sich dort der Konkurrenz stellen mussten – und scheiterten. So sind wenig verwunderlich alle Spieler des WM-Kaders in der heimischen Liga aktiv. Und laufen dort für Teams auf, die hierzulande maximal Challenge-League-Niveau hätten.

Mega-Druck für die katarischen Spieler

Für ein erfolgreiches Abschneiden an der Heim-WM spricht realistisch gesehen nichts. Trotzdem träumen die Scheichs vom Startschuss in eine fussballerisch glorreiche Zukunft Katars – mehr noch: Sie fordern einen Exploit. Der Druck auf die Spieler ist riesig. Verantwortlich dafür, die fussballerische Blossstellung abzuwenden, ist Felix Sanchez. Der Spanier steht seit 2006 auf der Lohnliste der Scheichs, seit 2017 als Nationaltrainer. In einem Interview mit der «Marca» sagt er mit Blick auf das Eröffnungsspiel gegen Ecuador: «Es ist schwierig. Wenn man auf den Platz geht, sind da 60'000 Leute im Stadion. Es ist das erste WM-Spiel in der Geschichte des Landes, und die Erwartungshaltung ist so gross, dass es eine schwierige Aufgabe wird.»

Die vergangenen drei Monate verschanzte sich Sanchez mit seinen Spielern in Österreich und Spanien. Es gab schwer einschätzbare Testspielsiege gegen Nicaragua, Guatemala, Honduras, Panama und Albanien, weil die Partien alle hinter verschlossenen Türen stattfanden. Ab Sonntag kann sich Katar nicht mehr verstecken.

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