Medizinischer Fortschritt gilt als gut; Errungenschaften werden begrüsst. Doch das gilt nicht uneingeschränkt: Medizinische Unterstützung beim Thema Kinderwunsch kritisieren manche als unnatürlich. Das tabuisiert das Thema und macht es schambehaftet. Als wäre etwas natürlich an der Bestrahlung von Krebszellen oder am Einsetzen eines Herzschrittmachers – ein Fall von Doppelmoral.
Beispielhaft zeigt sich diese Doppelmoral in Bezug auf die Reproduktionsmedizin beim Thema Social Freezing: Hierbei stimulieren Frauen ihren Eisprung hormonell, damit möglichst viele Eizellen entnommen und für späteren Gebrauch eingefroren werden können.
Hartnäckig hält sich der Mythos, Frauen nutzten Social Freezing, um zuerst eine steile Karriere hinlegen zu können (statt dem «natürlichen Ruf» der Mutterschaft zu folgen). Dabei ist längst erwiesen: Es sind der aktuell fehlende passende Partner und das Wissen um die geringere Fruchtbarkeit mit höherem Alter, die Frauen vorausschauend handeln lassen. Traditionelle Rollenbilder prägen in diesem Fall also den Blick auf eine medizinische Errungenschaft.
Mit dem Social Freezing kaufen sich Frauen mit Kinderwunsch Zeit. Zum Glück verdienen sie ihr eigenes Geld und können sich das teure Prozedere leisten. So sind sie imstande, später mit dem passenden Mann eine Familie zu gründen und sich – und ihm – einen Lebenswunsch zu erfüllen.