«Es ist viel, viel schwieriger geworden», sagt Silvia Triebl (43). Die Kinderbuchautorin bezieht sich auf die Partnersuche, um eine Familie zu gründen. Und sie bezieht sich im Speziellen auf Datingplattformen wie Tinder, Parship oder Bumble: «Ich kenne zwar einige Paare, die sich vor sieben, acht Jahren auf Tinder gefunden haben, aber mir scheint, es sei mit der Sättigung an Datingplattformen und den Veränderungen unseres Verhaltens durch diese kontinuierlich schwieriger geworden, jemanden zu finden.» Triebl ist in eine klassische Frauen-Falle getappt: Nach teilweise jahrelangen Partnerschaften oder jahrelanger Suche nach einem Partner hat es bis zum kritischen Alter, in der die Fruchtbarkeit bei den Frauen drastisch abnimmt, mit der Familiengründung nicht geklappt. Bei Triebl war es eine Fehlgeburt vor gut zwei Jahren, nach der auch die damalige Partnerschaft auseinanderging. Triebl stand im Alter von 41 Jahren plötzlich ohne Partner und ohne Kind, aber mit seit Jahren unverändert grossem Kinderwunsch da.
So wie ihr geht es vielen, und zwar nicht nur Frauen. Generell, besagen Zahlen des Bundesamts für Statistik, verschiebt sich das Alter, in dem Familien gegründet werden, stetig nach hinten: Aktuell bekommen Schweizerinnen ihr erstes Kind durchschnittlich mit etwas über 31 Jahren, noch im Jahr 2000 lag das Durchschnittsalter für eine Erstgeburt bei etwas über 27 Jahren. Dieser Trend geht zum Nachteil von Frauen, da die Zeit, was die Fruchtbarkeit betrifft, ungleich stärker gegen die Frauen als gegen die Männer arbeitet. Bereits ab einem Alter von 36 Jahren gelten erste Schwangerschaften als «geriatrische Schwangerschaft» – bedeutet: Auf eine Schwangerschaft bezogen gilt eine Frau dann bereits als «alt» und muss mit mehr Komplikationen rechnen. Und ab 45 wird wegen der rapide abnehmenden Fruchtbarkeit eine natürliche Schwangerschaft immer unwahrscheinlicher. Noch härter für Frauen im entsprechenden Alter: Die Fruchtbarkeit nimmt generell ab – auch auf Männer bezogen. Eine Studie aus dem Jahr 2019, die die Spermienqualität junger Schweizer Männer untersuchte, zeigte: 60 Prozent der 2500 Studienteilnehmer im Alter von 18 bis 22 Jahren erreichten die Normwerte für gesunde Spermien nicht. Mit Folgen: Jedes fünfte Paar bleibt in der Schweiz unfreiwillig kinderlos.
Für viele Frauen läuft die Zeit ab
Frauen mit Kinderwunsch sind also gleich dreifach in der Bredouille. Ihr Zeitfenster ist kürzer, die Fruchtbarkeit der Männer nimmt generell ab, und klar ist auch: Die zu Tinder und Co. dazugehörigen Auswüchse wie Ghosting (sich abrupt nicht mehr melden), multiples gleichzeitiges Dating und die erst durch diese Social-Media-Plattformen entstehende Austauschbarkeit von Beziehungen macht es gemäss Soziologinnen wie Eva Illouz oder Jessica Strubel schwieriger, überhaupt einen Partner zu finden. Das geht auch Triebl so: «Wenn ich auf Tinder von Anfang an klar sage, dass ich bald Kinder will, werde ich geghostet. Aber ich habe ganz einfach keine Zeit mehr, jemanden erst mal zwei, drei Jahre kennenzulernen.»
Dass die Partnersuche und somit auch die Familiengründung schwieriger geworden sind, sagen aber nicht nur soziologische Studien und unzählige Artikel, sondern auch Ärzte. Genauer: Ärzte, die sich auf Fortpflanzungsmedizin spezialisiert haben. So etwa Florian Götze. In seiner Klinik «360° Kinderwunsch Zentrum Zürich» berät er ungewollt kinderlose Paare und, stark zunehmend, auch alleinstehende Frauen. «Es gibt eine Zunahme des sogenannten Social Freezing», sagt er. Mit «Social Freezing» ist gemeint, dass Frauen ihre Eizellen entnehmen und einfrieren lassen, um zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Fruchtbarkeit vielleicht bereits stark abgenommen hat, darauf zurückgreifen zu können. Ein Verfahren, das Frauen zunehmend nutzen: Während im Jahr 2019 gesamtschweizerisch 42 Zyklen, also 42 Hormonbehandlungen, Eizellenentnahmen und -einfrierungen dokumentiert waren, waren es 2021 schon fast 600. Frauen können so in ihre eigene Zukunft investieren und das Zeitfenster der Fruchtbarkeit erheblich verlängern, sagt Götze: «Ich würde es jeder Frau anraten, ihre Eizellen einfrieren zu lassen, die mit 35 ungewollt kinderlos ist und für die die Familienplanung einen hohen persönlichen Stellenwert hat. Es ist eine Art Spende an sich selber, eine Investition in die eigene Zukunft.»
Um Eizellen einfrieren zu können, stellen behandelnde Ärztinnen und Ärzte nach einem Beratungsgespräch zunächst mittels eines Ultraschallverfahrens sicher, ob die Voraussetzungen für eine Eizellenentnahme gegeben sind. Danach braucht es eine durchschnittlich ca. zweiwöchige hormonelle Vorbereitungszeit, um die Eierstöcke anzuregen, eine möglichst grosse Anzahl Eizellen gleichzeitig optimal zur Reifung zu bringen. In dieser Zeit muss sich eine Patientin täglich mit zwei Hormonen injizieren. Eines regt die Eizellenreifung an, das andere verhindert gleichzeitig einen vorzeitigen Eisprung. Während dieser Zeit überprüft die behandelnde Klinik mit regelmässigen Ultraschalluntersuchungen die Reifung der Eizellen. Ist diese erfolgt, löst eine erneute Hormongabe die abschliessende Eizellreifung und den Eisprung aus. Zwei Tage später ist es so weit: Die sogenannte Follikelpunktion erfolgt im Spital oder in der Klinik ambulant unter Unltraschallsicht. Über eine feine Hohlnadel saugt die behandelnde Person die reifen Eizellen mit der Follikelflüssigkeit aus den Eierstöcken ab. Der kurze Eingriff dauert nur 10 bis 15 Minuten. Nach einer Kontrolle der Eizellen unter dem Mikroskop friert die Ärztin sie sofort auf die Temperatur von –196 Grad ein. So bleiben Eizellen potenziell für Dekaden so gut wie unverändert befruchtungsfähig. In der Schweiz ist die Lagerdauer aber auf zehn Jahre beschränkt. Danach müssen die Eizellen vernichtet werden.
Um Eizellen einfrieren zu können, stellen behandelnde Ärztinnen und Ärzte nach einem Beratungsgespräch zunächst mittels eines Ultraschallverfahrens sicher, ob die Voraussetzungen für eine Eizellenentnahme gegeben sind. Danach braucht es eine durchschnittlich ca. zweiwöchige hormonelle Vorbereitungszeit, um die Eierstöcke anzuregen, eine möglichst grosse Anzahl Eizellen gleichzeitig optimal zur Reifung zu bringen. In dieser Zeit muss sich eine Patientin täglich mit zwei Hormonen injizieren. Eines regt die Eizellenreifung an, das andere verhindert gleichzeitig einen vorzeitigen Eisprung. Während dieser Zeit überprüft die behandelnde Klinik mit regelmässigen Ultraschalluntersuchungen die Reifung der Eizellen. Ist diese erfolgt, löst eine erneute Hormongabe die abschliessende Eizellreifung und den Eisprung aus. Zwei Tage später ist es so weit: Die sogenannte Follikelpunktion erfolgt im Spital oder in der Klinik ambulant unter Unltraschallsicht. Über eine feine Hohlnadel saugt die behandelnde Person die reifen Eizellen mit der Follikelflüssigkeit aus den Eierstöcken ab. Der kurze Eingriff dauert nur 10 bis 15 Minuten. Nach einer Kontrolle der Eizellen unter dem Mikroskop friert die Ärztin sie sofort auf die Temperatur von –196 Grad ein. So bleiben Eizellen potenziell für Dekaden so gut wie unverändert befruchtungsfähig. In der Schweiz ist die Lagerdauer aber auf zehn Jahre beschränkt. Danach müssen die Eizellen vernichtet werden.
Vielen Frauen fehlt in gewissem Alter der Mann
Das Alter von 35 Jahren sei entscheidend. «Ab circa 35 nimmt die genetische Qualität der Eizellen rapide ab», sagt Götze. Frauen im Alter von 40 Jahren muss er in seiner Klinik bereits erklären, dass ein Embryotransfer nach künstlicher Befruchtung im Alter von 40 Jahren gemäss aktuellsten Daten nur noch 22,6 Prozent Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft hat pro Monat – im Vergleich zu über 40 bis 50 Prozent, wenn die Eizellen im Alter vor 35 entnommen wurden. Und ab 45 Jahren bietet die Klinik die Eizellenentnahme gar nicht mehr an: «Die altersbedingten genetischen Schäden an den Zellen sind dann einfach zu gross, eine erfolgreiche Schwangerschaft und Geburt nahezu ausgeschlossen.»
Auch Brigitte Leeners stösst ins gleiche Horn: Die Professorin für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am Universitätsspital Zürich sieht den Grund für die steile Zunahme des Social Freezing zum einen in der technischen Möglichkeit, die noch nicht so alt sei. Andererseits sieht auch sie eine Zunahme des Social Freezing: «Früher dachte ich immer, das seien die Karrierefrauen, aber das ist überhaupt nicht so. Längerfristige Beziehungen sind zunehmend eine Herausforderung, also kommen hauptsächlich und zunehmend Frauen zu uns, deren Beziehung, die angedacht war, um eine Familie zu gründen, im kritischen Alter zerbrochen ist, oder bei denen der Märchenprinz einfach bis jetzt nicht aufgetaucht ist.»
Alleinstehende Frauen dürfen ihre eigenen Eier nicht benützen
Also genau so wie bei Silvia Triebl. Nur hätte ihr das Einfrieren der Eizellen im Alter von 35 Jahren auch nichts genützt: Denn um die Eizellen später nutzen zu können, das schreibt das Schweizer Gesetz vor, muss eine Frau mit Kinderwunsch zwingend in einer Partnerschaft sein. Die Eizellen dürfen gemäss aktueller Gesetzeslage zudem nur zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Danach werden sie vernichtet. Da Eizellenspende in der Schweiz verboten ist, dürfen die so gefrorenen Eizellen auch nicht anderen kinderlosen Paaren zur Verfügung gestellt werden. Wer also zehn Jahre später erneut vor einem partnerschaftlichen Scherbenhaufen steht oder niemanden gefunden hat, muss von Gesetzes wegen kinderlos bleiben.
Ethisch ist dies aus mehreren Gründen problematisch: Während Eizellenspenden verboten sind, sind Samenspenden erlaubt – die Geschlechter werden also vom Gesetz unterschiedlich behandelt. Womit das Gesetz eigentlich gegen sich selbst verstösst: nämlich gegen das Antidiskriminierungsgesetz. Es ist auch widersinnig, die gesunden Eizellen nach Ablauf der zehn Jahre zu vernichten, während in der Schweiz die Geburtenzahlen mit rund zehn Jahren auf einer tiefen Reproduktionsrate von ungefähr 1,46 Geburten pro Frau stagnieren und viele Paare auf Eizellenspenden angewiesen wären.
Ein bereits im Jahr 2017 in Auftrag gegebenes Ethikpapier des Bundesamts für Gesundheit sieht zudem die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft. «Ein Zyklus, um Eizellen einfrieren zu lassen, kostet eine Frau rund 5000 Franken», sagt Florian Götze. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten aber nur, wenn eine medizinische Notwendigkeit besteht, zum Beispiel vor einer Chemotherapie, nach der eine dauerhafte Unfruchtbarkeit drohen könnte. Social Freezing wird hingegen nicht bezahlt. Bei jungen Frauen bis Mitte dreissig reicht in der Regel ein Zyklus, um das gewünschte Ziel an gefrorenen Eizellen zu erreichen. Bei älteren Patientinnen sind aufgrund abnehmender genetischer Qualität der Eizellen sowie eines reduzierten Ansprechens der Eizellen auf die notwendige hormonelle Stimulation auch mal zwei oder mehr Zyklen notwendig. Aktuell kann sich also die Verlängerung der Fruchtbarkeit nur leisten, wer einfach so 5000 bis 20'000 Franken in die Hand nehmen kann.
Wer auf Nummer sicher gehen will, geht ins Ausland
Frauen, die mit ihrem Kinderwunsch auf sicher gehen wollen und sich nicht darauf verlassen wollen, dass in zehn Jahren der Traummann dann schon noch auftaucht und ihnen das Schweizer Gesetz erlaubt, ihre Eizellen auch benützen zu dürfen, müssen also heute in ausländische Kliniken gehen, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Genau so wie Paare, die auf eine Eizellenspende angewiesen sind. Denn in diversen Ländern der EU wie auch in den USA ist die Gesetzgebung sehr viel weniger restriktiv. Vor dem Nationalrat befindet sich nun eine Motion, die die Eizellenspende erlauben und so Männer und Frauen in Bezug auf die Reproduktionsmedizin gleichstellen soll.
Auch Silvia Triebl wird ins Ausland gehen: Nach einer kreativen Plakataktion namens «Topf sucht Deckel», die sie letztes Jahr gestartet hat und bei der sie zwar sehr viele auch nette Begegnungen hatte, hat es trotz allen Bestrebungen bei ihr nicht gefunkt. Jetzt hat sie sich dafür entschieden, es allein als Mami zu versuchen. Im Mai lässt sie sich in einer deutschen Klinik via Samenspende künstlich befruchten. Sie bedauert, ihre Eizellen nicht schon viel früher eingefroren zu haben. Und sie wünscht sich eine Annäherung der Schweizer Gesetze an EU-Standards: «Alle reden von tiefer Reproduktionsraten und Fachkräftemangel – warum macht man es dann Frauen, die nichts anderes wollen, als ein liebevolles Mami zu sein, so schwer?»