«Wir von der Nationalen Ethikkommission sehen das eher skeptisch», sagt Markus Zimmermann, Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission (NEK) im Bereich der Humanmedizin, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Das Pharmaunternehmen Merck übernimmt als eines der ersten Schweizer Unternehmen seit Oktober die Kosten, wenn Mitarbeiterinnen vorsorglich Eizellen einfrieren lassen wollen. «Die Unterstützung für unsere Mitarbeiter liegt uns sehr am Herzen», sagt Florian Schick, Direktor von Merck Schweiz zu Keystone-SDA. Das Einfrieren von Eizellen sei ein Teil der Lösung für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Letztlich könne so ein inklusiveres und vielfältigeres Arbeitsumfeld geschaffen werden.
Ethiker befürchten Zwänge
In der Schweiz sei es bisher selten, dass Firmen das rund 10'000 Franken teure Einfrieren und Lagern von Eizellen übernehmen, sagen mehrere Fachleute. «Ich kann mir aber vorstellen, dass der Trend aus den USA auch in die Schweiz überschwappt», sagt Julia Schmid, die an der Universität Zürich zum Thema forscht.
Der Ethiker Zimmermann befürchtet, dass so Zwänge entstehen. Implizit sende ein Unternehmen so die Botschaft, dass Frauen ihre Karriere priorisieren und ihre Mutterschaft aufschieben sollen. «Dadurch entsteht eine Erwartungshaltung», erklärt er.
Zudem kann es laut Zimmermann davon Ablenken, weitere Anstrengungen im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unternehmen. Schick betont jedoch ausdrücklich, dass dies bei Merck nicht der Fall sei.
Ausserdem kommt es laut Zimmermann dabei zu einer übertriebenen Vermischung von Privat- und Arbeitsleben. «Es geht bei der Frage nach Reproduktion und Kinderwunsch um etwas sehr Persönliches. Das sollte nicht vermischt werden mit der Frage, welche Anreize der Arbeitgeber bietet», sagt Zimmermann.
Einfrieren keine Garantie für eine spätere Schwangerschaft
Auch entstehe dabei die Illusion, dass das Einfrieren von Eizellen eine Garantie für eine spätere Schwangerschaft sei. Das sei aber nicht der Fall, warnt Zimmermann. Laut dem Reproduktionsmediziner Peter Fehr von der OVA IVF Clinic Zurich besteht nach dem Einfrieren von 15 bis 20 Eizellen eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, dass daraus mindestens ein Kind geboren werden kann.
Das Einfrieren von Eizellen ohne medizinischen Grund, das sogenannte Social Egg Freezing, ist in der Schweiz auf dem Vormarsch. Jährlich nähmen rund 30 Prozent mehr Patientinnen diese Dienstleistung in Anspruch, sagte der Fehr.
Auch Forschende der Universität Zürich beobachten eine Zunahme des Social Egg Freezing. Im Forschungsprojekt «EEggg» untersuchen Julia Schmid und ihr Forschungsteam die psychologischen Aspekte dieses Phänomens.
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, die Online-Umfrage der Forschenden kann noch bis Ende November ausgefüllt werden. Die bisher rund 1000 Antworten zeigten aber, dass die Einstellung zum Social Egg Freezing unter den Befragten überwiegend positiv sei, sagt Schmid. Auch viele Frauen könnten sich vorstellen, ein solches Verfahren anzuwenden. «Das war in früheren Studien noch ganz anders», so die Psychologin. «Den Grund dafür wird die Analyse der Daten zeigen.»
Hauptgrund ist ein fehlender Partner
Der Hauptgrund für das Einfrieren von Eizellen ist indes nicht die Karriere. «Die Forschung zeigt klar, dass der Hauptgrund für die Entscheidung zum Einfrieren von Eizellen ein fehlender Partner ist», erklärt Schmid. Eine kleine Rolle könnte die Karriere dennoch spielen. «Frauen, die ihre Eizellen einfrieren lassen, arbeiten in häufig in einem hohen Pensum von mindestens 80 Prozent», erklärt Schmid.
Ausserdem würden viele Frauen den Kinderwunsch auf Eis legen, um eine stabilere Lebenssituation abzuwarten. Zudem spiele bei der Entscheidung, Eizellen einzufrieren, die Angst vor Unfruchtbarkeit eine Rolle. Eizellen würden teilweise zur Beruhigung dieser Angst eingefroren. So ist auch der Anteil der Frauen, die tatsächlich auf ihre eingefrorenen Eizellen zurückgreifen, gering.
Neben weiblichen Eizellen können auch männliche Samenzellen eingefroren werden. «Bei Frauen ist die Fruchtbarkeit aber stärker ans Alter gebunden als bei Männern», erklärt Schmid. Das könnte der Grund dafür sein, dass dieses Thema bei Männern anders angegangen werde als bei Frauen. (SDA)