Wirtschafts-Briefing von Nicola Imfeld über die Einigung der Swiss und des Kabinenpersonals
Glamourös wird dieser Job nie mehr sein

Bis zu 18 Prozent mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Die Swiss einigt sich mit dem Kabinenpersonal auf einen neuen Gesamtarbeitsvertrag. Wer deswegen von den alten, goldigen Zeiten träumt, sollte aufwachen, sagt Blick-Wirtschaftsredaktor Nicola Imfeld.
Publiziert: 10.12.2022 um 15:12 Uhr
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Ein Bild aus goldigen Zeiten: Zwei Swissair-Flugbegleiterinnen im Jahr 1974 vor einem Jumbo-Jet am Flughafen Zürich-Kloten. Damals war der Beruf des Flugbegleiters noch glamourös.
Foto: Blick
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Nicola ImfeldTeamlead Wirtschaft-Desk

Sie kennen diese ungemütliche Situation: Wenn zwei sich streiten, dann wird es für die Person in der Mitte herausfordernd und manchmal kompliziert. Als Journalist, der sich vertieft mit der Aviatik- und Airline-Branche auseinandersetzt, war ich in den vergangenen zwei Jahren diesem Spannungsumfeld ausgesetzt.

Auf der einen Seite die Gewerkschaft, die bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn für das Kabinenpersonal fordert. Auf der anderen Seite die Swiss, die als Unternehmen profitabel wirtschaften muss. Beides verständlich. Und der Streit relevant, denn: Die Lufthansa-Tochter gehört zu den wichtigsten und grössten Arbeitgebern der Schweiz.

Der Job als Flugbegleiterin war im letzten Jahrhundert glamourös und hoch angesehen. Die Swiss versucht mit der am Donnerstag erzielten Einigung im GAV-Streit, diesen Glamourfaktor wieder herzustellen.

Das ist aber gar nicht möglich. Der Reallohn der Flugbegleiter war früher zwar höher, aber noch nie besonders hoch. Das Ansehen des Jobs war vielmehr der Zeit geschuldet. In den 1970er-Jahren waren es die Flugbegleiterinnen, die als einige der ganz wenigen Schweizerinnen und Schweizer die grosse weite Welt entdecken durften.

Sie sahen die Amerikas, Asien und Afrika. Ihre Eindrücke und Erlebnisse waren daheim gefragt. Kein Wunder: Alle anderen konnten sich solche Reisen gar nicht leisten.

Heute ist das anders. Mit dem gestiegenen Wohlstand in der Schweiz haben wir die Möglichkeit, die Welt selber zu entdecken. Wir müssen nicht mehr die Flugbegleiterin fragen, wie New York ist. Wir fliegen selbst dorthin. Und erleben auch noch mehr, da die Swiss-Angestellten nach einem Tag bereits wieder nach Hause müssen.

Den Glamourfaktor haben die Flugbegleiter wohl für immer verloren. Trotzdem ist die Einigung eine gelungene Sache. Die Angestellten erhalten mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Es ist ihnen zu gönnen.

Und die Swiss steht finanziell nach der Pandemie so gut da, dass sie sich Investitionen von insgesamt 100 Millionen Franken mit diesem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) leisten kann. Ein gutes Zeichen von einem der wichtigsten Arbeitgeber der Schweizer Wirtschaft.


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