Ab nächster Woche ist König Fussball Trumpf. Die Weltmeisterschaft in Katar wird mit 150 Milliarden Dollar die teuerste WM seit eh und je. Das Big Business Fussball boomt, das Spiel mit dem runden Leder ist und bleibt die beliebteste Sportart der Welt. Allen Bedenken und Skandalen zum Trotz.
Doch dahinter gibt es, global gesehen, keine unbestrittene Nummer 2. American Football will das ändern. Die National Football League (NFL) ist auf dem Vormarsch, drängt nach Europa. In London sind die Amerikaner schon länger zu Gast, am Sonntag findet nun in München das allererste NFL-Spiel auf deutschem Boden statt.
Es geht zwar wie beim Fussball auch im American Football um viel Geld. Doch das System ist sportlich fairer – und somit ausgeglichener, spannender und sympathischer. Jedes NFL-Team kann in der laufenden Spielzeit maximal 208 Millionen Dollar ausgeben. In Philadelphia kann kein saudi-arabischer Scheich wie bei Manchester City kommen und sich die Meisterschaft kaufen. Es kommt auf ein gutes Management an, und nicht auf die Grösse des Portemonnaies.
Auch das Umfeld ist beim American Football sympathischer. In Zürich werde ich in meinem GC-Shirt vor dem Stadion angegriffen und bespuckt. Die Fankurve wird auch mal mit einer 1000 Grad heissen Pyro von gegnerischen Fans beworfen. In Los Angeles, beim Football-Derby, mischen sich die beiden Fanlager der Rams und Chargers auf der Tribüne. Friedlich. Familiär.
American Football ist Event. Fussball ist Tradition. Lange Zeit war man in Europa und der Schweiz nicht bereit, die US-amerikanische Kommerzialisierung im Sport hinzunehmen. Das hat sich in den vergangenen Jahrzehnten langsam geändert. Der heutige Fussball ist Kommerz pur. Mit diesem Kulturwandel – der noch nicht beendet ist – ist der Weg für die NFL geebnet.
Und dieser Weg ist goldig. Die NFL setzte vergangenes Jahr über 17 Milliarden Dollar um. Das ist mehr als die drei grössten europäischen Fussballligen zusammen. In Europa schlummern für die NFL noch viele weitere Milliarden Dollar. Ein kapitalistischer Amerikaner lässt sich eine solche Chance natürlich nicht entgehen.
Klammheimlich hat sich American Football bereits zur zweitbeliebtesten (!) TV-Sportart in Deutschland gemausert – vor der Formel 1, Eishockey, Ski Alpin, Tennis oder Handball. Auch in der Schweiz will die NFL die Top 3 angreifen und somit mindestens Eishockey oder Ski Alpin hinter sich lassen.
Anstatt mit Lara Gut-Behrami auf der Abfahrt mitzufiebern, sollen die Schweizer in 10 Jahren Tom Brady im Super Bowl zuschauen. Unvorstellbar? Ski Alpin ist bei der jüngeren Generation out, American Football ist in. Wir werden uns langsam ans runde Ei gewöhnen.