Wirtschafts-Briefing von Nicola Imfeld: Grösste Revolution seit dem Internet
Zuckerberg geht mit dem Metaverse zu weit

Der Facebook-Konzern plant mit dem Metaverse die grösste Revolution seit der Erfindung des Internets. Arbeiten, lernen, Freizeit – ein Grossteil unseres Lebens soll sich im virtuellen Raum abspielen. Das geht zu weit, findet Blick-Wirtschaftsredaktor Nicola Imfeld.
Publiziert: 04.06.2022 um 11:54 Uhr
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Nicola Imfeld ist Wirtschaftsredaktor der Blick-Gruppe.
Foto: Thomas Meier
Nicola Imfeld

Vor mehr zwei Jahren kam die Corona-Pandemie. In Windeseile haben wir uns an Homeoffice und Videokonferenzen gewöhnt. Jetzt soll schon bald die nächste und grösste Revolution seit der Erfindung des Internets anstehen: das Metaverse von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

Die «Generation Z» fährt angeblich voll auf die virtuelle Welt mit ihren Kunstfiguren (Avataren) ab. Auch Unternehmen zeigen Interesse. Am World Economic Forum (WEF) in Davos konnte ich vergangene Woche in diese verrückte, neue Welt eintauchen.

Dank einer klobigen Virtual-Reality-Brille auf dem Kopf befand ich mich plötzlich in einem virtuellen Sitzungszimmer mit einer Meta-Mitarbeiterin aus Paris und einer aus London – Tiffany. Auf Knopfdruck wechselte der Avatar von Tiffany – die sich bewegt und redet wie die echte Tiffany – unsere Umgebung von «futuristischer Grossstadt» auf «idyllischen Strand».

Arbeiten, Studieren, Familientreffen – alles im Metaverse

Der Facebook-Konzern Meta investiert Milliarden von Dollars ins Metaverse. Auch andere Unternehmen wie Apple wollen bei dieser Technologie dabei sein. Zuerst sollen Videokonferenzen ins Metaverse verlegt werden. Ab 2023 will Meta auf Unternehmen zugehen.

Doch Mark Zuckerberg denkt grösser. Künftig soll sich ein Grossteil unseres Lebens im Metaverse abspielen. Studierende gehen nicht mehr physisch an die Universität, sondern ziehen sich in ihren Zimmern eine Virtual-Reality-Brille über und büffeln in der Gestalt von Kunstfiguren. Architekten und Autodesignerinnen können ihre ungebauten Häuser und Fahrzeuge begutachten. Und wer sich mit Freunden oder der Familie treffen will, der geht einfach in eine Bar im Metaverse.

Zwar will Zuckerberg mit dem Metaverse nach eigenen Aussagen die Realität nicht ersetzen. Und doch propagiert seine Mitarbeiterin Tiffany, mit der ich im virtuellen Sitzungszimmer am Strand sass: «Das ist viel authentischer und natürlicher als eine Videokonferenz.»

Warum das Metaverse zu weit geht

Ich bin ein sogenannter Digital Native. Ich bin mit dem Internet aufgewachsen und schätze die Vorteile eines Smartphones. Die Welt von Blockchain und Kryptowährungen interessieren und faszinieren mich. Homeoffice und Videokonferenzen? Kein Problem! Die Digitalisierung birgt viele Chancen, und die Schweiz hat hier noch Nachholbedarf – zum Beispiel im Gesundheitsbereich. Aber das Metaverse geht einen Schritt zu weit.

Bei Videokonferenzen sehe ich eine Person. Ich sehe seine echte Umgebung. Ich sehe vielleicht sogar Kinder, die sein Zimmer unerwartet stürmen. Kurz: Ich sehe einen Menschen. Im Metaverse bleibt nur der Avatar übrig. Eine virtuelle Abbildung. Verlieren wir nicht einen Teil unserer Menschlichkeit, wenn wir in der Gestalt einer Kunstfigur projiziert werden?

Als ich die Brille nach knapp 30 Minuten wieder abziehen konnte, war ich erleichtert, das virtuelle Sitzungszimmer am Strand verlassen zu haben und wieder zurück in Davos zu sein.

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