Wirtschafts-Briefing von Nicola Imfeld: Davos einmal anders
Was das WEF gebracht hat – und was nicht

Das WEF in Davos bot viele spannende Gesprächsgelegenheiten und eine zugängliche globale Wirtschaftselite. Doch letztlich entstand zu wenig Konkretes, meint Blick-Wirtschaftsredaktor Nicola Imfeld.
Publiziert: 28.05.2022 um 10:05 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2022 um 12:02 Uhr
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Nicola Imfeld ist Wirtschaftsredaktor der Blick-Gruppe.
Foto: Thomas Meier
Nicola Imfeld

Zweimal stand ich als Soldat der Schweizer Armee am World Economic Forum (WEF) in Davos im Einsatz. Dieses Jahr durfte ich erstmals als Journalist teilnehmen und das Jahrestreffen redaktionell begleiten. Anstatt im Massenschlag mit 23 verschwitzten Männern zu schlafen, kam ich in den Genuss eines eigenen Zimmers.

Es war aber nicht nur die bessere Luftqualität in meinem Schlafzimmer, das dieses WEF speziell gemacht hat. Im Winter bibberten wir bei Minustemperaturen, jetzt im Frühjahr konnte ich ohne Mantel oder Jacke auf den Davoser Strassen flanieren. Die Temperaturen waren für uns Journalisten ein Vorteil. Denn auch die globale Wirtschafts- und Politelite verweilte zuweilen draussen und war zugänglich für Fragen.

Das hat mir als noch junger Journalist auch am meisten imponiert: Nie zuvor hatte ich die Gelegenheit, so vielen interessanten Persönlichkeiten auf einmal zu begegnen. Alle sind zwar immer in Eile, und doch nahm man sich – zu meinem Erstaunen – immer die Zeit, eine oder zwei Fragen zu beantworten. Egal ob US-Senator, Pfizer-Chef, lettischer Präsident oder ehemalige Premierministerin Neuseelands.

Lockerer Klitschko, verschlossener Emir von Katar

Selbst Wladimir Klitschko, direkt aus dem Kriegsgebiet aus der Ukraine angereist, zeigte sich noch am selben Abend nach seiner langen Reise zugänglich und gab meiner Kollegin Lea Hartmann ein ausführliches Interview. Unkompliziert kam er vor die Absperrung des Hotels Seehofs, posierte für Fotos und beantwortete locker, aber mit ernster Miene die Fragen. Auch sein Bruder Vitali schien es zu gefallen, dass er sich in der Schweiz frei und ohne Begleitschutz bewegen konnte. Eine Abwechslung zum düsteren und gefährlichen Alltag in Kiew.

«Wenn die Schweiz passiv steht, ist Blut an ihren Händen»
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Wladimir Klitschko am WEF:«Wenn die Schweiz passiv steht, ist Blut an ihren Händen»

Einzig der Emir von Katar liess mich abblitzen. Er hielt zuerst eine 30-minütige Rede im Kongresshaus und durfte anschliessend in der vordersten Reihe einer Panel-Diskussion mit Fifa-Präsident Gianni Infantino und Fussball-Legenden wie Ronaldo und Arsène Wenger lauschen. Es war der peinlichste Anlass des diesjährigen WEFs. 60 Minuten Schleichwerbung für die Fussball-WM in Katar – ohne eine einzige halbwegs kritische Frage zu den schlechten Arbeitsbedingungen der Hilfsarbeiter, die von Regierungen und NGOs immer wieder beanstandet worden sind. 6500 Menschen sollen diesen in den vergangenen Jahren zum Opfer gefallen sein.

Wenig Konkretes

Dass es auch anders geht, zeigte WEF-Gründer Klaus Schwab persönlich. Er lockte Pfizer-Chef Albert Bourla aus der Reserve, als er die kommenden Booster-Impfungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie ansprach. Es werde schwierig werden, die Leute davon zu überzeugen, sagte Bourla. Gleichzeitig kündigte er an, patentierte Medikamente und Impfstoffe ab sofort fast gratis an arme Länder abzugeben.

Das war eine der wenigen konkreten Massnahmen, die beschlossen respektive angekündigt wurde. Dass die Gespräche und Diskussionen in Davos wichtig sind, steht ausser Frage. Ebenso die wirtschaftliche und politische Bedeutung des Forums für die Schweiz. Und dennoch darf man erwarten, dass ein Weltwirtschaftsforum – gerade in diesen schwierigen Zeiten – mehr Handfestes zutage bringt. Das wäre nicht nur im Interesse der Welt, sondern würde auch das WEF als Institution stärken.

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