Milena Moser
Von Fahrrädern und Fischen

Erinnert sich ausser mir noch jemand an den alten Spruch «Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad»? Wenn ich mir die Klagen meiner alleinstehenden Freundinnen anhöre, dann eher nicht.
Publiziert: 14.02.2022 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2022 um 13:46 Uhr
Die Schriftstellerin Milena Moser schreibt im SonntagsBlick Magazin über das Leben. Sie ist die Autorin mehrerer Bestseller. Am 22. Februar erscheint ihr neues Buch «Mehr als ein Leben».
Milena Moser

«Ich hasse den Februar», sagt Jackie. Nicht wegen des Wetters, das hier oft besser ist als im Juli. Wegen des Valentinstags. Herzen und Rosen überall, Pralinenschachteln, Champagnerflaschen, Romantik auf Befehl, und wehe denen, die jetzt allein sind. Selbst wenn sie das, wie Jackie, wie die meisten meiner alleinstehenden Freundinnen, freiwillig und gerne sind.

«Kaum hab ich Weihnachten mit meinen Verwandten hinter mir, die mich unablässig mit Fragen nach meinem Liebesleben löchern und auch gerne daran erinnern, dass ich auch nicht jünger werde, geht es im Büro los: Was hast du denn für Pläne, du kannst doch am Valentinstag nicht allein sein! Wenn du dich jetzt gleich auf einer Datingplattform anmeldest, findest du bis zum 14. bestimmt jemanden, soll ich dir helfen, ein Profil zu erstellen? Das kann doch nicht sein, dass eine so tolle Frau wie du allein ist.»

Dass Jackie glücklich ist, können sie sich offenbar nicht vorstellen. Früher hat sie manchmal einfachheitshalber ein Date erfunden oder sich selbst Blumen ins Büro geschickt. Einmal hat sie mich im letzten Moment gebeten, sie zu einem Firmenanlass zu begleiten, zu dem Partner miteingeladen waren. «Ich hab einfach den Nerv nicht», sagte sie. Ob wir wirklich als Paar durchgegangen sind, weiss ich nicht, aber wenigstens hatte sie an dem Abend ihre Ruhe und konnte sich über andere Dinge unterhalten als über ihren Beziehungsstatus. Sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität sind in Nordkalifornien kein grosses Thema. Nur allein sein, das geht nicht. Allein sein, das ist nicht normal. Man muss jemanden haben, irgendjemanden, egal wen.

Das geht mir gewaltig gegen den Strich. Als bekennende, überzeugte und nicht unterzukriegende Romantikerin verstösst eine solche Haltung sozusagen gegen meine Religion. Wenn es nicht die wahre, die grosse Liebe ist, muss es nicht sein. So sieht es auch Jackie. Sie geniesst ihr Leben in vollen Zügen und meint, da müsste schon jemand ganz Besonderer kommen, für den sie es über den Haufen werfen würde. Was sie nicht ausschliesst, aber nicht verbissen verfolgt. Das Einzige, was ihr Glück trübt, ist die Tatsache, dass sie es ständig verteidigen muss.

«Manchmal möchte ich zurückfragen: Wie kommt es, dass du immer noch mit deinem Mann zusammen bist, über den du dich ständig beklagst? Warum tust du dir diese endlose Reihe von Desasterdates an? Wie kommt es, dass so eine tolle Frau wie du nicht allein sein kann?»

Ich persönlich habe den Valentinstag, der unterdessen längst in der Schweiz angekommen ist, erst in Amerika kennengelernt. Und auch da beschränkte sich der Brauch auf die Kinder, die in der Schule herzförmige Karten ausschneiden, verzieren und verteilen mussten. Doch mein älterer Sohn weigerte sich: «Das ist doch künstlich. Ich warte, bis ich jemanden wirklich liebe und so eine Karte auch etwas bedeutet.»

Genau. Jackie plant übrigens auch dieses Jahr, sich einen Strauss roter Rosen aufs Pult zu stellen. Nicht, um ihre übergriffigen Mitarbeiterinnen zu täuschen. Nein, wenn sie nachfragen sollten, und das werden sie bestimmt, wird sie die Wahrheit sagen: «Die Rosen sind von der einen Person, die mich von ganzem Herzen liebt und respektiert. Von mir selbst.»

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