Schlechte Gefühle heissen so, weil sie sich schlecht anfühlen. Bevor wir anderen damit schaden, vergällen wir uns selbst den Tag. Oder eher die schlaflose Nacht, wenn die Monster unter dem Bett hervorkriechen. Zum Beispiel der grüne Neid. Er wuchert wie ein Schimmelpilz auf dem moosigen Boden des Vergleichs. Sich mit anderen zu vergleichen, ist einer der sichersten und direktesten Wege ins Unglück. Und gleichzeitig eine der urmenschlichsten Regungen überhaupt.
Schon Dante hatte in seinem Inferno eine Ebene für die Neidischen reserviert. Seit der Erfindung und Verbreitung der sozialen Medien gibts da kein Ausweichen mehr. Wir vergleichen uns nicht mehr nur mit unseren Nachbarn, sondern auch mit Menschen, die wir nie kennenlernen werden, die vielleicht nicht einmal existieren. Unterdessen gibt es schon eine ganze Reihe neuer Studien zu diesem Thema, Diagnosen, Theorien.
Der grüne Neid erlebt eine Renaissance – aber wird er auch richtig genutzt und geschätzt? Haben all diese negativen, unangenehmen, verpönten Gefühle nicht auch eine wertvolle Funktion?
Ich zum Beispiel, ich erinnere mich geradezu körperlich daran, an den brennenden, glühenden Neid, den ich als junge Frau empfand. Er überschwemmte mich jedes Mal, wenn ich eine Buchhandlung betrat und die Neuerscheinungen ausgelegt sah. Warum die und nicht ich, dachte ich. Ich will, was die haben: Ich will ein Buch veröffentlichen. Und ich will es da auf diesem Tisch liegen sehen.
In meiner Fantasie stemmte ich manchmal wie eine fehlgeleitete Superheldin den Tisch hoch und warf ihn um, in Wirklichkeit nagte ich nur auf meiner Unterlippe herum, bis sie blutete.
Der Neid machte mir das Leben nicht gerade zur Hölle, aber er belastete mich. Andererseits gab er mir aber auch die nötige Kraft, um durchzuhalten, Jahr für Jahr für Jahr. Sein Brennen erzeugte die Energie, die mich weitertrieb. Ohne ihn hätte die Mutlosigkeit gewonnen, da bin ich heute sicher. Der Neid zeigte mir, was ich wirklich wollte und wie sehr ich es wollte. Weil ich ihn wahrnahm. Weil ich ihn nicht unterdrückte. Denn dann wäre er erst wirklich gefährlich geworden. Nicht nur mir, sondern auch anderen.
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Unterdrückter Neid schlägt schnell in Missgunst um und dann in Hass. Die weltweit immer ungezügeltere Wut auf alle, die es sich anmassen, anders zu denken, zu handeln, zu fühlen, zu lieben als wir, die ist aus unterdrücktem Neid entstanden. Aus Neid auf diese anderen, die sich anmassen, etwas zu leben, was wir uns selbst nicht zugestehen, nicht getrauen, was wir aufgegeben haben.
Ich bin meinem Neid heute dankbar, so unangenehm seine Gesellschaft damals auch war. Und ich passe auf, wenn ich ihn unter dem Bett rumoren höre.
So habe ich neulich zwei gleichaltrigen Freundinnen gestanden, dass ich sie manchmal ein wenig beneide – nicht glühend, nicht brennend, eher wehmütig, aber doch. Ich beneide sie darum, dass sie sich um niemand anderen kümmern müssen als um sich selbst. Dass sie sagen können, das sei jetzt ihre Zeit. Es kostete mich einiges, dies einzugestehen. Ich fühlte mich nicht gut dabei. Doch meine Freundinnen nickten nur, sie verstanden das, sie hatten ähnliche Gefühle.
Es tat gut, sie auszusprechen. Die Monster, unter dem Bett hervorgezerrt, stellen sich bei Tageslicht meist als harmlos heraus, eine zerknüllte Wolldecke, eine vergessene Socke, eine Schachtel ohne Deckel.