Vier Jahre lang durfte ich Ihnen, geschätzte Blick-Leserinnen und -Leser, alle zwei Wochen eine Tierart vorstellen. Es war mir ein Vergnügen. Die gegen 100 Kolumnen haben Etliches ausgelöst: Streit mit einem Familienmitglied, rührende Briefe aus dem Altersheim oder schlüpfrige Angebote. Auch hier hat es gemenschelt. Für meine letzte Kolumne habe ich mich daher eines der aussergewöhnlichsten Tiere aufgespart – den Menschen.
Genauer: die Menschenart Homo sapiens. Dass die Säugetiergruppe der Menschen nämlich nur noch aus einer Art besteht, ist gar nicht so selbstverständlich. Bis vor 50'000 Jahren existierten auf der Erde noch andere Menschenarten. Etwa der knuddelige Hobbit-Mensch, Homo floresiensis, der nur einen Meter gross wurde. Warum die anderen Menschenarten ausgestorben sind, ist nicht gänzlich geklärt. Die Wissenschaft vermutet, dass wir in gewissen Dingen schlicht besser waren. Wir pflanzten uns schneller fort und kooperierten besser.
Der Preis für unseren Aufstieg
Dass wir besser sind, ist ein Selbstbild des Menschen, das unsere Kultur geprägt hat. Wir ziehen eine klare Linie zwischen uns und den Tieren, stellen unsere Interessen ganz selbstverständlich über jene der Tiere. Schliesslich sind wir die Krone der Schöpfung. Stimmt das wirklich?
Klar ist, dass die Evolution beim Menschen herausragende Eigenschaften hervorgebracht hat. Da ist zu einem ein aussergewöhnlich grosses Gehirn, das 25 Prozent (!) unseres Gesamtbedarfs an Energie verbraucht. Vor 70'000 Jahren haben die Sapiens evolutionsbiologisch einen gewaltigen Schritt gemacht. Plötzlich waren wir fähig, Dinge zu tun, zu denen keine andere Art fähig war.
Die Evolution ist ein ständiger Wettlauf zwischen Jägern und Gejagten, zwischen Parasiten und Wirten. Der Mensch aber ist der Evolution enteilt. Er wurde so schlau, dass seine Fressfeinde nicht mehr aufholen konnten. Das ist faszinierend und tragisch zugleich: Unser Aufstieg ist mit Abertausenden ausgestorbener Tierarten gepflastert.
Dort der Zucker, da der Planet Erde
Viele Menschen sehen sich nicht mehr als Krone der Schöpfung. Wir können uns nicht von der Natur abheben, zu sehr sind wir von ihr abhängig. Allein auf unserer Haut und in unserem Darm leben Billionen von Organismen. Wir bestehen zu einem Teil aus Tieren.
Der Historiker Philipp Blom sagt, der Mensch erinnere an einen Hefepilz. Er dehne sich aus, bis er seine Lebensgrundlage aufgebraucht hat – dann stirbt er. Bei der Hefe ist es der Zucker, bei uns der Planet Erde. Sind wir wirklich nicht einmal gescheiter als Hefe? Ich hoffe es nicht. Machen Sie es gut!
Simon Jäggi (41) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern. Dies ist seine letzte «Wild im Herzen»-Kolumne. Blick bedankt sich bei Simon Jäggi wild und herzlich.