Kolumne «Wild im Herzen» über ein unbeliebtes Insekt
In Autoreifen kam die Tigermücke nach Europa

Die Stiche der Tigermücke sind schmerzhafter als jene der heimischen Mücken. Auch aus anderen Gründen ist das berühmt-berüchtigte Insekt unbeliebt. Werden wir es wieder los?
Publiziert: 19.11.2021 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2021 um 07:04 Uhr
Die Asiatische Tigermücke gilt als Überträgerin von bis zu 20 Krankheiten, darunter das Dengue- und Zika-Virus. In der Schweiz sind bisher keine Fälle einer Krankheitsübertragung bekannt.
Foto: imago/blickwinkel
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Simon JäggiSänger der Rockband Kummerbuben

Die Meldung versteckte sich in der Kurzspalte: Kürzlich informierte die Stadt Zürich, dass sie nun schon im zweiten Jahr in Folge frei von Tigermücken sei.

Bemerkenswert ist die Nachricht allemal, denn bislang schien es, als könne man die Ausbreitung der invasiven Stechmückenart nicht aufhalten. Noch im Sommer meldete Bern, dass die unliebsame Tigermücke in der Bundesstadt angekommen sei. In Basel werden regelmässig Sichtungen gemeldet. Und im Tessin hat sie sich flächendeckend etabliert.

Die Asiatische Tigermücke ist eine berühmt-berüchtigte Stechmücke aus den süd- und südostasiatischen Tropen und Subtropen. Die Art gilt als Überträgerin von bis zu 20 Krankheiten, darunter Dengue-, Zika- und Chikungunya-Virus. Hier muss gleich ein Aber folgen: In der Schweiz sind bisher keine Fälle einer Krankheitsübertragung bekannt.

Eier als blinde Passagiere

In den 1990er-Jahren wurde die Mücke in den Balkan eingeschleppt, seither verbreitet sie sich über ganz Europa. Alte Autoreifen spielten dabei eine wichtige Rolle. Ausrangierte Reifen werden um den halben Planeten gekarrt, um sie irgendwo möglichst billig auf Deponien zu lagern – einer der Auswüchse der Globalisierung. So kam es, dass Abfallreifen aus dem asiatischen Markt auf Deponien im Balkan landeten. Und mit ihnen Eier der Tigermücke.

Die Eier weisen ein erstaunliches Merkmal auf: Sie können monatelang im Trockenen lagern – und entwickeln sich, sobald sie in Kontakt mit Wasser kommen. Autoreifen stellten daher nicht nur das Transportmittel, sondern auch gleich eine prima Brutstätte der Mücken dar, als sie sich auf den Deponien mit Regenwasser füllten.
In Biotopen oder Pools überleben die Larven der Tigermücken nicht. Sie benötigen kleine Pfützen oder Behälter, etwa Regentonnen, Giesskannen oder auch nur Unterteller von Blumentöpfen.

Vielleicht schaffen wir es noch

Es sind denn auch diese kleinen Brutstätten, die die Behörden in Zürich erfolgreich kontrolliert und beseitigt haben. In den nächsten Jahren hat die (nördliche) Schweiz noch eine kleine Chance, der Mücken Herr zu werden, deren Stiche schmerzhafter sind als jene der heimischen Mücken. Hat sich die Tigermücke flächendeckend ausgebreitet, hat das Insekt das Rennen gewonnen.

Simon Jäggi (41) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern. Er schreibt jeden zweiten Freitag im Blick. Wissenschaftlicher Rat: Prof. Christian Kropf.

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