Freddy ist tot. Zur Strecke gebracht hat ihn die Schwiegermama – jüngst beim Herbstputz. Freddy war eine Grosse Winkelspinne. Er lebte schon eine Weile beim Wohnzimmerfenster und hat dort einen guten Job gemacht, indem er Mücken und andere Insekten vertilgte. Nichts gegen die Schwiegermama, sie hat bloss reagiert wie wohl die Mehrzahl von uns. Spinnen werden selten gemocht, schon gar nicht als Mitbewohner.
In diesen Tagen zieht es die Spinnen wieder in unsere Häuser. Zum Beispiel die Zitterspinne, die Kräuseljagdspinne oder eben die Grosse Winkelspinne. Umgangssprachlich wird Eratigena atrica auch als Hausspinne bezeichnet, weil sie zu den häufigsten Arten gehört, die in unseren vier Wänden anzutreffen sind. Bei den typischen Spinnennetzen, die in verlassenen Häusern oder alten Schuppen hängen, handelt es sich meist um solche der Winkelspinne. Die Netze sind enorm langlebig – sie können über Jahrzehnte halten.
Auch sonst ist das Netz der Winkelspinnen besonders. Es ist nämlich nicht klebrig wie die typischen Spinnennetze. Es ist zwei physikalischen Kräften zu verdanken, dass sich Insekten im Netz nur träge bewegen können (für die Freaks: Van-der-Wals-Kräfte und Adhäsionskräfte). Die Winkelspinne flitzt dagegen auf den Spitzen ihrer Beine übers Netz – also mit wenig Auflagefläche. Mit der Eleganz einer Primaballerina bringt sie ihre Beute zur Strecke.
Sie bringen sich selbst in Gefahr
Trotz ihres Namens ist es Hausspinnen im Winter in beheizten Wohnungen zu trocken. Das führt dazu, dass sie sich fatalerweise in Lavabos zurückziehen, weil es dort feuchter ist. Dabei tappen sie aber selber in die Falle: Auf der glatten Oberfläche kommen sie nicht mehr hoch und werden weggespült – versehentlich oder mit Absicht.
Bevor Sie eine Winkelspinne nun Schwiegermutter-mässig einsaugen, bringen Sie diese lieber wieder nach draussen oder in den Keller. Eine Spinne fängt man am besten mit einem Glas und einem Papier, besser nicht mit den Händen – nicht weil sie gefährlich sind, sondern um die Tiere nicht zu verletzen.
Simon Jäggi (41) ist Sänger der Rockband Kummerbuben und arbeitet im Naturhistorischen Museum Bern.