Wenn die Welt reglos ist wie ein Schiff ohne Wind, der Himmel starr wie das Dach eines Treibhauses, wenn die Sonne die Luft flimmern lässt und alles in einen heissen Dunst taucht –, dann fliesst der Schweiss, er fliesst und fliesst.
Dann finden viele Männer zu ihrem Mut. Dann pfeifen sie auf Pietät, Stil, Eleganz, Tradition, sogar auf ihre Männlichkeit. Dann stehen sie in kurzen Hosen da und sehen aus wie grosse kleine Jungs. Dann zeigen sie mit ihrer Kleidung, wer sie wirklich sind, und nicht mehr, wer sie sein möchten oder glauben, sein zu müssen.
Früher gab es Textilzonen
Aus ihren Shorts oder Bermudas sickert, rinnt, strömt es; so träge wie unaufhaltsam durchforsten fette Schweisstropfen den haarigen Urwald ihrer Waden und enden, wenn sie nicht verdunstet sind, in Sandalen, die die eigentlich lichtscheuen und mehr oder weniger gepflegten Zehen ausstellen.
Früher war das Büro oder der Zürcher Paradeplatz noch eine Zone, in der sich der Mann garantiert bedeckt hielt, vom Gesicht abwärts bis hin zur Zehenspitze. Heute sind nicht mehr alle bereit, dem Unterschied zwischen Badestrand und Büro auch textilmässig Ausdruck zu verschaffen. Denn warum, formt sich unter ihrer heissen Schädeldecke die Frage, warum sollte man in halben Hosen nicht voll arbeiten können?
Eine Frage der Souveränität
Kleider machen Leute? Vor allem machen Leute Kleider – damit jeder sich verkleiden und aussehen kann, wonach er will: zum Beispiel wie ein Versicherungsvertreter (Anzug von der Stange), ein Polosportler (Polo Ralph Lauren), ein Architekt (dickrandige, schwarze Brille) oder eben auch wie einer, für den die Arbeit wie Freizeit ist und umgekehrt (Shorts mit hawaiianischem Sommerstrand-Druck). Wer also souverän genug ist, dem Statusversprechen von langen Hosen zu misstrauen, der soll es doch bitte tun.
Natürlich wird diese stoffliche Befreiung der Männer nicht unwidersprochen hingenommen. Es gibt Menschen mit feinen Antennen. Diese Menschen ekeln sich leicht. Für manche Ekelsensiblen ist der Anblick von nackten Männerbeinen wie der Tritt in einen Hundehaufen, eine Katastrophe also, die sie betrachten, aber nie verstehen noch verzeihen können. Sie retten sich in die Vorstellung, dass eine Wespe auf einem dieser Unterschenkel landen, sich in dessen Haaren verfangen und aus Panik zustechen wird. Alles wird gut.
Ursula von Arx findet, dass eigentlich auch die meisten Frauenbeine bekleidet besser aussehen als unbekleidet.