Okay, Migros hat die Süssigkeit mit dem rassistischen Namen aus den Gestellen genommen. Aber der Hersteller bietet sie im Internet immer noch an. Ein Winnetou-Buch wurde von einem Verlag aus dem Programm genommen. Ein anderer bietet eines mit gleichem Titel an. Über beide Fälle wurde viel geredet. Cancel Culture! Geschehen ist fast nichts.
Was Linke können, können Rechte viel besser. Denn während Linke in endlosen Differenzierungsschlaufen über verschiedene Ausprägungen von «kultureller Aneignung» und «strukturellem Alltagsrassismus» diskutieren und darüber räsonieren, ob es sich tatsächlich schon um «verbale Belästigung» handle, wenn jemand nach einer Absage ein zweites Mal um ein Rendez-vous bittet, schaffen die Rechten Fakten.
Sie tun es in Polen, Ungarn und natürlich den USA. Sie mobilisieren die Staatsgewalt und erlassen Cancel-Gesetze, die für Betroffene schwerwiegende Konsequenzen haben können: Anti-Abtreibungsgesetze, Anti-LGBTQ-Gesetze, Zensurgesetze.
Das Anti-Abtreibungsgesetz im US-amerikanischen Ohio hatte zur Folge, dass ein zehnjähriges Mädchen nach einer Vergewaltigung für den Schwangerschaftsabbruch in den Nachbarstaat Indiana reisen musste. Die Ärztin, die dem Mädchen half, war einem Shitstorm von organisierten Abtreibungsgegnern ausgesetzt und der Generalstaatsanwalt von Indiana ermittelte gegen sie.
Im Bundesstaat Mississippi wurden Anfang dieses Jahres 31 Gesetzesentwürfe eingereicht, die die Freiheit von Menschen einschränken, die nicht heterosexuell sind.
In Florida ermitteln die Behörden gegen die Lehrerin Jenna Barbee, die ihren Fünfklässlern einen Disney-Film mit einer schwulen Figur gezeigt hat. Denn damit hat sie wohl gegen das «Don't Say Gay»-Gesetz («Sag nicht schwul!») verstossen.
In Tennessee dürfen Dragqueens weder in der Öffentlichkeit noch vor Kindern und Jugendlichen auftreten.
Und die Methoden, mit denen die Rechten in den USA Stimmen sammeln, werden von der SVP in die Schweiz importiert. Mit seinen Hetzposts gegen den sogenannten Gender-Tag in Stäfa und gegen eine «Drag Story Time», einer Vorlesestunde für Kinder in einer Zürcher Pestalozzi-Bibliothek, hat Nationalrat Andreas Glarner viel Aufmerksamkeit bekommen, auch, weil er sich dabei mit Rechtsextremen gemeinmachte.
Linkes Gerede, rechtes Gesetz. Alles werde gut.
Ursula von Arx nervt es, dass sie sich über linke Identitätsobsessionen manchmal mehr nervt als über das rechte Minderheitenbashing. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.