Mit Worten hat alles angefangen, und mit Worten wird es enden – das wusste die Bibel, und das wissen Konservative und Reaktionäre bis zum heutigen Tag. Republikaner wie Ron DeSantis und Donald Trump wissen es, die SVP weiss es.
Sie alle haben ein neues Lieblingswort: «woke». Sie hegen und pflegen, brauchen und missbrauchen es, sie erklären sich die Welt damit und alles Unglück, das über sie kommt.
Denn «woke» ist pfui. Eine Beleidigung. Etwas, das man nicht sein will und niemandem wünscht. «Woke» wurde zu «Woke-Wahnsinn» verzogen, es wurde verdreht, verzerrt, überladen und dabei ganz unförmig. Es bedeutet nun alles und nichts. Es steht für Denkverbote, Gendern, für Maulkörbe, für die angebliche Unterdrückung der Mehrheit durch eine übersensible Minderheit, es steht für die SRG, die Klimaerhitzung, für Renovate Switzerland, vegane Speisekarten, den Staat, für Linke – kurz: für alles, was Rechte nicht mögen.
Wokeness hat sogar den Untergang der Silicon Valley Bank (45 Prozent Frauen im Verwaltungsrat, zwei Veteranen, eine LGBTQ+ und ein Schwarzer) herbeigeführt: «Ich behaupte ja nicht, dass zwölf weisse Männer diesen Schlamassel hätten verhindern können. Aber es könnte schon sein, dass das Unternehmen von Diversitätsfragen abgelenkt war», so der Kolumnist Andy Kessler im «Wall Street Journal».
Dabei war «woke» ursprünglich, zur Zeit der schwarzen US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, positiv besetzt: Es bedeutete, wachsam zu sein gegenüber Vorurteilen und Benachteiligungen im Alltag. Der Appell wurde dann auch von Black-Lives-Matter-Aktivistinnen geteilt, von Queer-Feministen und anderen identitätspolitischen Bewegungen. Er stand für Antirassismus, Diversität, Empathie, Rücksichtnahme, Respekt, die Regenbogenfarbe. Bis zu dem Tag, als die radikale Rechte das Wort gekapert hat.
Konservative und Reaktionäre verstehen es diabolisch gut, Worte in ihr Gegenteil zu verkehren, daraus Funken zu schlagen und weltweit lodernde Feuerchen zu entfachen. Kein Wunder, hat ausgerechnet der obsessivste politische Lügner aller Zeiten, Donald Trump, alle Tatsachen, die ihm nicht in den Kram passten, als «Fake News» verunglimpft. Und behauptet, dass der Begriff eine seiner grössten Erfindungen sei. Was übrigens nicht stimmt. Amerikanische Zeitungen berichteten schon im 19. Jahrhundert über Fake News. Alles wird gut.
Ursula von Arx versteht, dass sich in der Sprache Machtverhältnisse abbilden. Und fragt sich dennoch, ob nicht auch ein bisschen linker Wortzauber möglich wäre. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.