Frauen dürfen – wie alle anderen auch – in Frei- und Hallenbädern oben ohne herumlaufen. Sie dürfen – wie alle anderen auch – mit nackten Brüsten im Strandbadrestaurant sitzen, dabei hungrig in eine in scharfen Senf getunkte Bratwurst beissen und die daraus entstehende Hitze mit einer Apfelschorle kühlen. In Zürich jedenfalls: Da hat der Stadtrat jetzt offiziell erlaubt, was vorher nicht explizit verboten war.
Bei der Ausübung dieses Badi-Rechts würde wohl kaum einer vorgeworfen, sie verübe ein «Busenattentat». Die Bezeichnung war ja schon 1969 verfehlt, als Theodor W. Adorno, Professor der Philosophie, im Rahmen einer Vorlesung in der altehrwürdigen Frankfurter Goethe-Universität von drei Studentinnen umringt wurde. Diese entblössten vor ihm ihre Brüste und streuten Tulpen- und Rosenblätter über sein Haupt. Der Professor flüchtete mit erhobener Aktentasche aus dem Hörsaal, ein paar Monate später starb er.
Gibt es einen Zusammenhang? Natürlich nicht. Denn Brüste sind keine Bomben. Adorno floh nicht eine explodierende Brustwarze, sondern das Gelächter. Und er, der von sich behauptete, dass er sich stets gegen Sexualtabus gewehrt habe, schoss zurück. Der Heiterkeitseffekt, der mit der Aktion erzielt worden sei, sagte er in einem Interview, «war ja doch im Grunde die Reaktion des Spiessbürgers, der Hihi! kichert, wenn er ein Mädchen mit nackten Brüsten sieht».
Nacktheit provozierte damals, und sie provoziert immer noch. Darauf setzen feministische Bewegungen wie Femen, die mit Oben-ohne-Aktionen für ihre Anliegen Aufmerksamkeit schaffen. Und darauf setzen vielleicht auch die, die sich barbusig in der Badi zeigen. Denn weibliche Körper sind über lange Zeit entlang männlicher Werte und Wünsche geformt, überhöht, sexualisiert, bewertet worden. Frauen haben diesen Blick von Kindesbeinen an verinnerlicht. Emanzipation kann da nur heissen: Zurück zur Frau, wie sie von sich aus ist, was immer das sei. Man merke also: Was im Schwimmbad gezeigt wird, ist kein weiblicher Busen als erotische Stimulanz inszeniert, sondern die sogenannt reine Natur, die weder infrage gestellt noch kommentiert werden darf. Denn Brüste sind Brüste sind Brüste.
So wird von der einen Seite die zivilisatorisch anerzogene Scham in Form eines Bikinioberteils abgestreift, um diese von der anderen Seite in Form von Selbstkontrolle wieder einzufordern: Du sollst nicht glotzen! Jedenfalls nicht mehr als auf die Bäuche von Männern. Alles wird gut.
Ursula von Arx findet die menschliche Vielfalt viel zu interessant, als dass sie sich das Glotzen verbieten könnte. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im «Blick».