Frank A. Meyer – die Kolumne
Halbmast

Publiziert: 09.10.2022 um 01:15 Uhr
Frank A. Meyer

Ein Staatsmann tritt zurück. So stand es in der «SonntagsZeitung», in der «Neuen Zürcher Zeitung», in der «NZZ am Sonntag». Weit herum herrscht Einigkeit: Mit Ueli Maurer verlässt «ein Staatsmann» den Bundesrat. Ein Moment des Nachtrauerns, wie in vergleichbaren Fällen üblich, genügt da nicht. Betroffenheit, wenn nicht nationale Erschütterung ist angemessen – Fahnen bitte auf halbmast! Ein Lotse geht von Bord, wenn nicht der Lotse.

Was wird nur aus der verlassenen Landesregierung – der Rest-Regierung?

Ueli Maurer sieht sich selbst bescheidener. Als ersetzbar nämlich, wie er gewohnt flapsig erklärt: durch einen Mann oder eine Frau, «solange es sich nicht um ein Es handelt». Was wiederum den Protest der SP queer provozierte, die dem Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements «Entmenschlichung von trans- und non-binären Menschen» vorwirft.

Der Bundesrat, der sich nie als Staatsmann im Auge hatte, sondern stets nur die Arbeit, die es zu tun gab, wird auch diesen Schwachsinn überstehen. Ja, Ueli Maurer war ein taugliches Mitglied des Siebner-Kollegiums, wie viele vor ihm, wie wohl auch die Frau oder der Mann nach ihm es sein wird. Das System hats in sich, aus Politikern tüchtige Regierer zu formen, die das Leben gelernt haben – weil sie es zuliessen, dass das Leben sie lehrte.
Ueli Maurers SVP hat auch schon anderes erlebt, als sich einer der Ihren zum Staatsmann berufen fühlte, dann aber im Bundesrat so kläglich scheiterte, dass er abgewählt werden musste – was nach schweizerischen Usanzen nur im äussersten Notfall vorkommt.

Aus dem SVP-Churchill wurde nichts. Aus Ueli Maurer schon. Was ist das Geheimnis?

Das Gremium!

Sieben Gleiche verantworten das Regieren. Jeder zwar mit zugewiesenem Pflichtenheft – aber eben auch verantwortlich für alles, was die übrigen sechs tun oder lassen. Die sozialdemokratische Bundesrätin Simonetta Sommaruga gewährte Einblick in dieses kollegiale Leben: «Es gibt wenige Bundesräte, mit denen ich so viel gestritten habe wie mit Ueli. Aber wir mögen uns trotzdem.»

Oder gerade deswegen. SP-Mann Willi Ritschard und CVP-Mann Kurt Furgler waren einst Streithähne und mochten einander sehr. Keiner weinte an Willis Grab ergreifender als Kurt.

Das ist der Zauber des Systems: Es zwingt zum Konsens, dem man sich fügt – glücklich oder grollend, je nach Problem und Partei. Ueli Maurer, der tüchtige, der bescheidene, liess sich darauf ein. Das ist sein Verdienst.

Staatsmann? Nein. Mann des Staates. Ja.

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