Wir haben eine Menge Erwartungen aneinander: dass unser Partner uns immer treu ist, dass er uns genau so liebt wie wir ihn, dass unsere Eltern uns immer fair behandeln, dass unsere Freunde uns nie hintergehen. Alles legitim, aber halt dennoch Erwartungen – und damit der Nährboden für 10 000 Enttäuschungen. Denn die Menschen sind nicht immer edel, weise und gerecht, sondern oft auch selbstsüchtig, neidisch und voller primitiver Rachlust.
Viele Erwartungen bedeuten viele Enttäuschungen
Sie hätten sich gewünscht, dass Ihr Vater Sie gleich liebt und behandelt wie sein anderes Kind. Nun stellen Sie fest, dass sein Verhalten eine andere Sprache spricht, und sind verletzt. Verständlich, aber so werden Sie für den Rest Ihres Lebens fühlen, wenn Sie weiterhin diese – in ihrer Rückwärtsgewandtheit ohnehin sinnlose – Erwartung hegen. Dann wird der Groll Ihr ständiger Begleiter sein.
Ihr Vater wird seine Gründe für diese Erbaufteilung gehabt haben. Vielleicht glaubte er, damit etwas wiedergutmachen zu können – gegenüber seinem Sohn oder seiner ersten Frau. Vielleicht hat ihn auch das Verhältnis zu Ihrer Mutter dazu getrieben, so zu handeln. Und vielleicht war er einfach ein mieser Tyrann, der tatsächlich in seinem Sohn aus erster Ehe mehr gesehen hat als in Ihnen. Vielleicht war auch er in seinen Erwartungen gefangen.
«Man nimmt die Liebe, die man bekommen kann»
Der Punkt ist, dass es unzählige Anlässe gibt, die uns schlechte Gefühle bereiten können, und die dadurch, wenn wir es zulassen, enorme Macht über uns haben. In diesen Fällen ist strenge gedankliche Disziplin gefragt: Man muss sich selbst wieder und wieder in einen Zustand coachen, in dem einem Dinge, die nicht zu ändern sind, egal werden. Das hat nichts mit Gefühlskälte zu tun, sondern mit Gleichmut. Und wohl auch mit Erwachsenwerden: Man nimmt eben die Liebe, die man bekommen hat, ohne ein Leben lang nach mehr zu jammern.