Auf einen Blick
Im neusten Band der Fantasy-Erfolgsserie «Flammengeküsst» trotzt die Protagonistin Violet Sorrengail dunklen Mächten – und ihren eigenen körperlichen Schwächen. Ihre Gelenke sind instabil, kugeln schnell aus, und sie neigt zu Ohnmachtsanfällen. Im «Romantasy»-Hit werden auch Hilfsmittel beschrieben, die ihr den Alltag erleichtern. So hat sie als Einzige einen Sattel für ihren Drachen.
Es steht zwar nicht so im Buch, aber Violet Sorrengail hat das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom. Das hat die Autorin Rebecca Yarros bei mehreren Lesungen bestätigt. Das ist kein Zufall, denn Yarros leidet selbst an dieser chronischen Bindegewebserkrankung. Und auch ihre vier Söhne leben in unterschiedlich ausgeprägten Formen damit.
Was ist das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom?
Das hypermobile Ehlers-Danlos-Syndrom ist eine der dreizehn Formen des Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), einer Gruppe von Bindegewebsstörungen, die durch eine überdehnbare Haut und instabile Gewebe an verschiedenen Orten gekennzeichnet sind. Sie können die Haut selbst betreffen oder interne Gefässe und Muskelgewebe. Zwölf der Formen haben ihren eigenen genetischen Marker, der die Diagnose vereinfacht. Die einzige Form des EDS, bei dem noch kein genetischer Marker gefunden wurde, ist das hypermobile EDS – kurz auch hEDS genannt.
Mehr als nur überbewegliche Gelenke
Die Symptome von hEDS sind vielseitig und variieren von Person zu Person. «Hypermobilität ist ein Spektrum, manche haben wenig bis keine Probleme, andere Patienten haben starke Beschwerden», sagt Michael Stingl (43), Facharzt für Neurologie aus Wien.
Typische Symptome sind extreme Gelenkmobilität, chronische Schmerzen in Muskeln und Gelenken, die öfter von Entzündungen begleitet sind. Betroffene haben zudem eine erhöhte Verletzungsgefahr. Wegen der Instabilität der Gelenke kommt es schnell zu Verstauchungen, Bänderrissen oder Luxationen, also Auskugelung der Gelenke. Die Protagonistin von «Flammengeküsst» ist daher auch weitaus mehr auf der Krankenstation, um Gelenke wieder einzurenken, als andere Drachenreiter.
Das ist aber nicht alles: «hEDS kommt oft mit anderen Beschwerden einher», sagt Stingl. Betroffene neigen zu Komorbidität, wenn mehrere Krankheiten zusammen auftreten. Im Fall von Hypermobilität sind das häufig ADHS, eine Störung auf dem Autismus-Spektrum oder die Kreislaufstörung POTS, eine Fehlregulation des autonomen Nervensystems, das sich durch schnelle Erschöpfung, Ohnmachtsgefühl und Herzrasen bemerkbar macht.
Wer ist betroffen?
Besonders häufig betroffen sind junge Frauen im Alter von 15 bis 40 Jahren, aber auch Männer können an hEDS erkranken. «Viele Betroffene haben bereits in der Jugend Probleme damit, es wird aber als Wachstumsschmerzen oder anderes abgetan», sagt Stingl. Mittlerweile beobachtet der Facharzt allerdings ein wachsendes Bewusstsein für die Erkrankung – gerade wegen Büchern wie «Flammengeküsst» und ihrer Bekanntheit in den sozialen Medien.
Michael Stingl (43) studierte von 1999 bis 2006 Medizin an der Medizinischen Universität Wien. Seine ärztliche Laufbahn begann an der Schmerzambulanz des AKH Wien, wo sein Interesse an der Neurologie wuchs. Seit 2016 ist er als Facharzt für Neurologie tätig und hat sich in seiner Laufbahn auf periphere Nervenleiden, Schlaganfälle und Ehlers-Danlos-Syndrom spezialisiert. Er konzentriert sich auf seine Wahlarztordination im Facharztzentrum Votivpark Wien in Österreich.
Michael Stingl (43) studierte von 1999 bis 2006 Medizin an der Medizinischen Universität Wien. Seine ärztliche Laufbahn begann an der Schmerzambulanz des AKH Wien, wo sein Interesse an der Neurologie wuchs. Seit 2016 ist er als Facharzt für Neurologie tätig und hat sich in seiner Laufbahn auf periphere Nervenleiden, Schlaganfälle und Ehlers-Danlos-Syndrom spezialisiert. Er konzentriert sich auf seine Wahlarztordination im Facharztzentrum Votivpark Wien in Österreich.
Wie behandelt man hEDS?
Hypermobilität ist nicht heilbar. «Die Behandlung ist in erster Linie an die Symptomatik angepasst», sagt Stingl. Eine speziell abgestimmte Physiotherapie steht dabei im Mittelpunkt, um die Muskulatur zu stärken und die Gelenkstabilität zu verbessern. Zusätzlich können Orthesen und Schienen helfen. Sorrengail trägt in den Romanen stets eine Kniestütze, da dies ihr instabilster Punkt ist.
Ein weiterer Bestandteil des Therapieansatzes ist das individuell angepasste Schmerzmanagement und die psychologische Unterstützung, da unheilbare Erkrankungen langfristig auch die Psyche beeinflussen können.
Was macht die Forschung?
In der Forschung gibt es noch viele offene Fragen zu hEDS. «Ein Hauptziel ist es, den genetischen Marker zu finden», meint Stingl. Während in den USA spezifisch geforscht wird, hat das Thema in Europa in seinen Augen noch nicht die nötige Beachtung.
Dabei sei die Sensibilisierung in Medizin und Gesellschaft essenziell, meint der Facharzt. Das wirke auch spät gestellten Diagnosen entgegen. «Erhält man sie erst mit 40 Jahren, fragt man sich: Was wäre gewesen, hätte ich das früher gewusst und behandelt?»
Rebecca Yarros war Ende zwanzig, als die Krankheit bei ihr diagnostiziert wurde. Da hatte sie bereits einen langen Leidensweg, geprägt von Schmerzen, ausgekugelten Gelenken und Operationen, hinter sich. Als meistverkaufte Autorin der letzten zwanzig Jahre nutzt sie nun nicht nur ihre Texte, sondern auch ihre Plattform, um über EDS aufzuklären und das Bewusstsein für diese oft missverstandene Krankheit zu fördern.