So wurde aus einer Videoreporterin eine Immobilienbewirtschafterin
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«Glück spielte grosse Rolle»:Videoreporterin ist jetzt Immobilienbewirtschafterin

Ramona De Cesaris (30) war Blick-Videoreporterin, jetzt arbeitet sie in der Immobilienbranche
«Wenn nicht jetzt, wann dann?»

Ramona De Cesaris (30) war zehn Jahre lang als Videoreporterin tätig – zuletzt für Blick. Anfang November wechselte sie in die Immobilienbranche und muss nochmals ganz von vorne anfangen. Ohne Pandemie hätte sie den Schritt vielleicht nie gewagt.
Publiziert: 28.12.2021 um 21:09 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2021 um 21:35 Uhr
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Ramona De Cesaris lernt heute in einer Einzimmerwohnung in Winterthur von ihrer Chefin, worauf sie bei einer Wohnungsübergabe achten muss.
Foto: zVg
Jonas Dreyfus

Wer mit ihr zusammen gearbeitet hat, kennt Ramona De Cesaris als Rampensau. Manche würden sagen, sie sei direkt, andere, sie hätte eine grosse Klappe. Im Gebäude von Blick an der Dufourstrasse in Zürich, wo die Seuzacherin die vergangenen fünf Jahre als Videoreporterin tätig war, sah man sie oft eifrig mit Kollegen im Raucherecken diskutieren. Oder sie huschte im Gang an einem vorbei zum nächsten Drehort in einem schwarze Kapuzenpullover.

De Cesaris deckte die Berichterstattung zum Bergsturz in Bondo GR ab. Sie begleitete Ex-Bachelor Vujo Gavric nach Barcelona (Spanien) und reiste im Hochsommer eine Woche lang an die heissesten Orte der Schweiz.

Jetzt steht sie in einer unbewohnten Einzimmerwohnung in Winterthur ZH mit einem Kugelschreiber über ein Formular gebeugt – und wirkt nicht so, als wäre sie hier der Boss. Das ist sie auch nicht, denn der steht neben ihr. Respektive ihre Chefin, die ihr heute zeigt, worauf zu achten ist, wenn ein Mieter seine Wohnung abgibt. Hat es Flecken an den Wänden, ist der Herd verkratzt? Wie sehen die Sockelleisten aus, schimmelt es im Bad? De Cesaris trägt einen dunklen Blazer und weisse Stoffsneaker, ihre Haare sind zu einem Dutt zusammengebunden. «Steh mal ein bisschen aufrechter hin», sagt ihre Chefin. «Du musst dir vorstellen, dass jetzt eigentlich ein Mieter anwesend wäre.»

Abends so kaputt wie nach einem Marathon

Warum hängt man ausgerechnet während einer Pandemie etwas an den Nagel, das nicht wenige als Traumjob bezeichnen würden, und fängt nochmals von vorne an? De Cesaris muss jetzt erstmal ein Jahr lang den Kurs «Sachbearbeiterin Immobilienbewirtschaftung» absolvieren. Vier Tage die Woche arbeitet sie bei Siska Immobilien AG im Team, das die Einkaufszentren der Winterthurer Firma betreut, einen Tag geht sie zur Schule. Sie sei es echt nicht mehr gewöhnt, in einem Klassenzimmer zu sitzen, sagt sie. «Alles, was ich im Moment mache, mache ich zum ersten Mal. Ich bin Abends manchmal so kaputt, wie wenn ich einen Marathon gelaufen wäre.»

Neustart!

2021 – das Jahr zwei der Pandemie. Nach der ersten grossen Verunsicherung im Jahr zuvor, als wir alle versuchten, das Beste aus der schlechten Situation zu machen, begannen 2021 die Umbrüche. Viele veränderten ihr Leben, wurden Eltern, verliessen den langjährigen Job, zogen in eine neue Wohnung.

Blick zeigt zum Jahresende Menschen, für die 2021 einen Neustart bedeutete. Fünf Tage, fünf Themen: Liebe, Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Haustiere.

2021 – das Jahr zwei der Pandemie. Nach der ersten grossen Verunsicherung im Jahr zuvor, als wir alle versuchten, das Beste aus der schlechten Situation zu machen, begannen 2021 die Umbrüche. Viele veränderten ihr Leben, wurden Eltern, verliessen den langjährigen Job, zogen in eine neue Wohnung.

Blick zeigt zum Jahresende Menschen, für die 2021 einen Neustart bedeutete. Fünf Tage, fünf Themen: Liebe, Arbeit, Wohnen, Gesundheit und Haustiere.

Sie haben schon lange mit dem Gedanken gespielt, beruflich nochmals etwas ganz Neues zu machen, sagt sie. Das Kreative können sie auch in ihrer Freizeit ausleben, wenn sie zum Beispiel für den Box-Club, in dem sie trainiert, Filme schneidet. «Ich liebte meine Beruf als Videojournalistin, doch er hatte auch Nachteile.» Die Schichtarbeit zum Beispiel. Ihr Partner arbeitet als Informatiker zu normalen Bürozeiten. «Wir haben uns zum Teil zwei Wochen nicht gesehen, wenn ich Spätschicht hatte. Früher oder später zieht es mich auf den Bau», sagt De Cesaris über ihre Zukunftspläne. «Zum Beispiel in den Bereich Qualitätssicherung.» Schon als Teenager hätte sie am liebsten eine Lehre auf dem Bau gemacht. «Doch als Frau war das nicht üblich.»

Sie wollte mehr im Leben als Gipfeli verkaufen

Auch in der Medienbranche landete sie als Quereinsteigerin. Vorher machte sie eine Lehre als Verkäuferin in einer Bäckerei. «Ich wusste schon damals: Ich wollte mehr machen im Leben als – blöd gesagt – Gipfeli verkaufen.» Also begann sie ihre Kunden zu fragen, was sie beruflich machten. Einer von ihnen war Günter Heuberger, damals Geschäftsleiter von Tele Top. Er bot ihr ein Praktikum an, das zu einer fünfjährigen Anstellung beim Fernsehsender führte. Günter Heuberger und seine Frau haben ihr auch den Job bei der Siska Immobilien AG verschafft, wo die beiden im Verwaltungsrat sitzen. «Günter und seine Frau Petra sind seit langer Zeit meine Mentoren», sagt De Cesaris. «Dafür bin ich ihnen unendlich dankbar.»

Ohne Pandemie hätte sie den Neubeginn vielleicht gar nicht gewagt, fügt De Cesaris an. Plötzlich hatte sie sehr viel mehr Zeit als sonst, sich über ihre Zukunft Gedanken zu machen. Das sogenannten Hamsterrad habe etwas langsamer gedreht als sonst, sie habe nicht mehr einfach von einem Tag zum nächsten gelebt. «Ich bin dreissig und habe noch keine Familie», sagt sie. «Wenn nicht jetzt, wann dann?»

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