«Jaa, s Schneewittli hätt leider läbensgföhrlichi Verstopfig.» Die weibliche Stimme, die uns solches mitteilt, ist jung, zuckersüss, gleichzeitig todernst und trieft vor Bedauern. Und in mir drängt bei allem Mitgefühl für das arme Viechli und bei aller Angst um mein Portemonnaie ein explosiver, unkontrollierter Lachkrampf nach aussen, wegen der schieren Absurdität dieses Satzes.
Nichts zeigt einem so gnadenlos auf, dass man definitiv und endgültig in der Spiessigkeit angekommen ist, wie der Besitz von Haustieren. In der Tierarztklinik löst sich angesichts solcher Sätze jede Art von früherer Coolness, von der man sich einzureden versucht, man hätte sie vielleicht ins Mamisein und ins mittelalterliche Mittelklassedasein hinüberretten können, in nichts auf. Und man weiss: Man hat im Leben Fehler begangen.
Fehler Nummer eins: Man hat sich vom kleinen Sohn breitschlagen lassen, sich Häsli respektive Zwergkaninchen zuzutun. Wissen Sie eigentlich, was das Errichten eines artgemässen, fuchs- und mardersicheren Aussenauslaufs kostet? Sie wollen es nicht wissen. Fehler Nummer zwei: Man hat dem kleinen Sohn erlaubt, die neuen Gartenbewohner selbst zu benamsen. Nun steht man also mit Schneewittli (weil das Häsli weiss ist, ist doch klar) in der Tierarztpraxis und unterhält sich ernsthaft über Schneewittlis Verstopfung.
Auch Schöggeli hat Probleme
Aber auch Gespräche mit Nachbarn erhalten eine neue Dimension: «Isch de Analdrüsenabszess vom Schöggeli (weil das Häsli dunkelbraun ist, ist doch klar) verheilt?», erkundigt sich der tierliebe Nachbar besorgt. Wer jetzt lacht, ist eine Rabenhaustiermutter und hat im nachbarlichen Kontext sozial verloren. Plötzlich muss man das Leben todernst in einer unfreiwillig humoristischen Parallelwelt navigieren, von der man vor dem Haustierbesitz keine Ahnung hatte.
Schneewittli geht es nach einem Spitalaufenthalt wieder gut (Kostenpunkt: 700 Franken). Wir Erwachsenen nennen es übrigens heimlich Donald Trump. Weil es weiss ist und regelmässig das andersfarbige Schöggeli ausgrenzt. Respektive terrorisiert. Bevor jetzt Tierfreunde böse Kommentare schreiben – wegen des Terrorisierens, nicht wegen des heimlichen Namens: Sie haben ein riesiges Auslaufgehege. Von dem Sie, wie gesagt, nicht wissen wollen, wie viel … ach. Das analdrüsenabszessbefreite Schöggeli (Kostenpunkt: 550 Franken) kann jedenfalls ausweichen und hat noch andere, nettere Kaninchenfreunde.
Fluffi und Schlämpeli
Gestatten: Fluffi und – Verzeihung – Schlämpeli. Der Sohn hat da wortschatzmässig etwas zwischen «lampig» (wegen der herunterhängenden Ohren) und sozial stigmatisiertem Sexualverhalten erwachsener Frauen durcheinandergebracht. Und für diese Aufklärung ist er noch zu klein. Zum Glück mussten wir mit dem Schlämpeli noch nicht zum Tierarzt. Den Satz «Jaa, s Schlämpeli hät leider Schiischwangerschaft» würde ich nicht überleben.
Dass wir in der Mittelklasse-Spiessigkeit angekommen sind, zeigt sich letztendlich dann auch darin, dass wir in der Tierarztklinik kurz zögern und dann doch lieber den doofen Namen Schneewittli angeben. Weil der Satz «Jaa, de Donald Trump hät leider läbensgföhrlichi Verstopfig», zuckersüss und bedauernd von einer herzigen jungen Tierarztgehilfin gesagt, definitiv noch schlimmer wäre. Mitte zwanzig hätten wir das folgende Gespräch, ohne mit der Wimper zu zucken, gemeistert. Heute würden wir vor Peinlichkeit sofort eingehen. Zeit, es einzusehen: Wir sind uncool geworden. Danke, Donald.