Die wohl grösste Veränderung, die der Ruhestand mit sich bringt, ist die dazugewonnene Freizeit. Viele Senioren beginnen mit einem neuen Hobby, verbringen mehr Zeit mit den Enkeln oder treffen alte Freunde. Doch auch die Dynamik der Beziehung wird in diesem neuen Lebensabschnitt durcheinandergebracht.
Besonders wenn der Partner zur gleichen Zeit in Rente geht wie man selbst, bedeutet dies eine Menge neue gemeinsame Zeit. Während man sich bisher nur abends oder am Wochenende sah, steht dem Paar nun der ganze Tag zur Verfügung. Dies kann für Konflikte sorgen. Paartherapeut und Parship-Berater Eric Hegmann (56) erklärt Blick, wie man als Paar diese Veränderungen meistern kann.
Respektvoll kommunizieren
Da es eher selten vorkommt, dass beide Partner den Übergang in den Ruhestand gleichzeitig erleben, braucht es laut dem Beziehungsexperten vor allem viel Verständnis. «Der Ruhestand stellt bisherige Strukturen und Rituale auf den Kopf. Es braucht also viel Geduld und Verständnis füreinander und vor allem Respekt vor der Andersartigkeit der neuen Bedürfnisse des Partners. Plötzlich geht der vielleicht in einem neuen Hobby auf, vielleicht ist er aber auch deprimiert und weiss nicht, was anfangen mit der neuen Zeit», so Hegmann.
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Laut Hegmann kann sich auch das Nähe-Distanz-Bedürfnis gänzlich verändern. «Paare, die bis dahin nicht gelernt haben, gleichberechtigt und auf Augenhöhe ihre unterschiedlichen Wünsche nicht nur zu artikulieren, sondern auch zu verhandeln, die müssen vielleicht Nachhilfe nehmen.» Zum Paartherapeuten kommen viele Paare, bei denen die Rente eines Partners so viel durcheinandergebracht hat, dass ihre bisherigen Werkzeuge nicht mehr ausreichen und sie neue benötigen.
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Gemeinsame Werte sind das A und O
Zu denken «Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du dich so fühlen wie ich!», sei der wohl grösste Fehler, wenn es um unterschiedliche, aber eben gleichberechtigte Bedürfnisse geht. Diese Einstellung stelle die Beziehung infrage. Dann können laut dem Paartherapeuten aus den kleinsten Themen hochkomplexe emotionale Konflikte und Fragen, wie «Passen wir wirklich zusammen?» oder «Müssen wir uns jetzt noch trennen?», aufkommen. «Vielleicht stellen Paare tatsächlich fest, dass sie unterschiedlicher sind, als sie dachten. Dann kann in einer Paartherapie herausgefunden werden, wie diese Unterschiede die Beziehung bereichern können.»
Damit die Beziehung auch während des Ruhestands noch funktioniert, seien zudem gemeinsam geschaffene Werte extrem wichtig. Es helfe, wenn beide Partner schon vor der Rente zusammen Ziele entwickelt haben, was sie im Ruhestand noch gemeinsam erreichen wollen. «Dabei scheint unerheblich, was das ist – solange beide Partner begeistert dabei sind. Sei es nun Wein anbauen in der Toskana oder Imkern auf Teneriffa: Hauptsache, da ist ein Antrieb, der beide mitreissen kann.» Denn laut dem Experten ist Langeweile in dieser Lebensphase Gift für das Gehirn, den Körper und die Liebe.