Die zweiten Flitterwochen
Auszug der Kinder: Wie aus einem «O weh!» ein «Juhe!» wird

Die neue alte Freiheit nach dem Auszug der Kinder kann für Paare eine Chance für mehr Intimität sein. Pasqualina Perrig-Chiello, emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie, weiss, worauf es ankommt.
Publiziert: 17.09.2023 um 20:40 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2023 um 11:46 Uhr
Endlich wieder Zeit für ungestörte Zweisamkeit: Nach dem Wegzug der Kinder haben Paare die Möglichkeit, sich neu zu erfinden.
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Valentin RubinRedaktor Service

Was ist das Empty-Nest-Syndrom?

Wenn die Kinder von zu Hause ausziehen, sei das für viele Eltern ein emotionaler Moment, sagt Pasqualina Perrig-Chiello (70), emeritierte Professorin für Entwicklungspsychologie an der Uni Bern. «Es ist ein Übergang in einen neuen Lebensabschnitt. Das kann schwierig und schmerzhaft sein.» Die aktive Rolle als Mutter oder Vater entfällt, das Kinderzimmer ist leer und am Esstisch sitzt man auf einmal nur noch zu zweit. Deshalb spricht man in der Psychologie vom «Empty-Nest-Syndrom» (Leeres-Nest-Syndrom). Es äussere sich für Eltern oft in einer Mischung aus Trauer darüber, dass das Kind weg ist, und Stolz darauf, dass es nun seinen eigenen Weg gehen kann. Perrig-Chiello: «Unabhängig davon, wie man sich fühlt, ist der Wegzug der Kinder für Eltern eine Möglichkeit, sich neu zu orientieren und sich zu fragen: Wie kann ich mein Leben nun neu gestalten?»

Ziehen die Kinder von zu Hause aus, verspüren viele Eltern laut Expertin eine Mischung aus Stolz und Trauer.
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Was bedeutet der Wegzug der Kinder für die Eltern?

Grundlegenden Gedanken über das bisherige Leben führen zwangsläufig dazu, dass man sich Fragen zur Partnerschaft stelle, sagt Perrig-Chiello. «Vielleicht haben sich Eltern auseinandergelebt, ohne es gemerkt zu haben.» Die Erziehung der Kinder erfordere viel Zeit und Energie, sodass die eigenen Bedürfnisse über Jahre zurückgestellt würden. Viele Paare wüssten in dieser Situation gar nicht mehr, was sie eigentlich wollen oder was sie – abgesehen von den Kindern – glücklich macht. «Sind die Kinder einmal ausgezogen, haben Eltern Zeit und Möglichkeit, wieder verstärkt aufeinander einzugehen und gemeinsam Zeit zu verbringen.» Dies kann laut Expertin verschiedene Formen annehmen: «Manche bauen die Wohnung oder das Haus um. Andere unternehmen ausgedehnte Reisen oder suchen sich neue gemeinsame Hobbys.»

Expertin für Familien- und Beziehungsfragen

Pasqualina Perrig-Chiello (70) war bis zu ihrer Emeritierung Professorin für Entwicklungspsychologie der Lebensspanne an der Uni Bern. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen. Sie hat unter anderem das Buch «Wenn die Liebe nicht mehr jung ist. Warum viele langjährige Partnerschaften zerbrechen und andere nicht» geschrieben. Perrig-Chiello ist seit 48 Jahren verheiratet und Mutter zweier erwachsener Söhne.

Pasqualina Perrig-Chiello (70) war bis zu ihrer Emeritierung Professorin für Entwicklungspsychologie der Lebensspanne an der Uni Bern. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen. Sie hat unter anderem das Buch «Wenn die Liebe nicht mehr jung ist. Warum viele langjährige Partnerschaften zerbrechen und andere nicht» geschrieben. Perrig-Chiello ist seit 48 Jahren verheiratet und Mutter zweier erwachsener Söhne.

Welchen Einfluss hat der Wegzug der Kinder auf die Intimität?

«Nach dem Wegzug der Kinder können Eltern zu alter Intimität zurückfinden.» Nach langer Pause biete sich dann die Möglichkeit, sich als Paar neu zu erfinden. Die Expertin bezeichnet dieses Phänomen als «Post-Launch-Honeymoon», als nachträglich lancierte oder erneute Flitterwochen. Das muss man laut Perrig-Chiello nicht zwingend in Form einer Reise feiern. «Es geht vielmehr darum, sich als Paar wieder näherzukommen.»

Sich bereits vor dem Auszug der Kinder darum zu bemühen, die Beziehung zum Partner oder zur Partnerin zu pflegen, kann sich später auszahlen.
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Wie verhindern Eltern, in eine Krise zu kommen?

Um eine solche «Post-Launch-Honeymoon»-Zeit geniessen zu können, müsse man sich schon vor dem Auszug der Kinder darauf vorbereiten, sagt Perrig-Chiello. Ansonsten könnten die Eltern mit Problemen konfrontiert sein, sobald sie nur noch zu zweit sind.«Vielleicht haben sie sich stark auseinandergelebt und merken, dass sie sich nichts mehr zu sagen haben, nachdem die Kinder weggezogen sind», sagt Perrig-Chiello. Wer die Erziehung der Kinder vor deren Wegzug als einzigen Lebensinhalt betrachtet habe, laufe Gefahr, in eine Krise zu kommen, sobald er dieser Aufgabe nicht mehr nachgehen könne. Laut Perrig-Chiello hilft es, sich schon frühzeitig regelmässig Paarzeit zu nehmen. Etwa in Form von Restaurantbesuchen oder Wellnessferien ohne Kinder. «Es ist wichtig, während der intensiven Elternzeit nicht zu verlernen, ein Paar zu sein.»

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