Die halbe Schweiz will Ihre Ratschläge. Gemeinsam mit der Journalistin Sabine Meyer haben Sie den Podcast «Beziehungskosmos». Was machen Sie richtig?
Felizitas Ambauen: Wir sind nahbar und echt. Die Leute merken, dass es fachlich fundiert ist und wir es mit Herzblut machen. Das Thema Beziehungen spricht viele an.
Brauchen Schweizer Hilfe in Sachen Beziehung?
Wir können alle Unterstützung brauchen. Es ist clever, sich gewisse Dinge anzueignen, die einem helfen, sein Liebesleben zu gestalten, wie man es gern hätte. Wir Schweizer sind keine Vorreiter in Sachen Therapie. Aber das Interesse an psychologischen Themen ist während der Pandemie gestiegen. Man hat erkannt, dass man sich mit wenig Aufwand Hilfsmittel holen kann. Die erste Folge unseres Podcasts kam zehn Tage vor dem Lockdown. Das war der richtige Moment.
Was wollen Sie mit dem Podcast erreichen?
Meine Idee ist es, Paare abzuholen, bevor sie bei mir auf dem Sessel sitzen und ich mir denke: Wenn sie doch schon vor zwei Jahren gekommen wären.
Geboren und aufgewachsen in einer idyllischen Gegend in Nidwalden, wollte Felizitas Ambauen gerade extra nicht Psychologie studieren wie ihre Mutter. Sie tat es schlussendlich trotzdem. Ihre Mutter freute sich. Heute hat die 41-Jährige eine eigene Praxis, schreibt Kolumnen, gibt Paarworkshops gemeinsam mit ihrem Partner und hat im erfolgreichen Podcast «Beziehungskosmos» Tipps für Tausende Schweizer: «Es hat mich überrascht, wie viel Vertrauen über einen Podcast aufgebaut werden kann.» Die Paar- und Psychotherapeutin wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Nidwalden.
Geboren und aufgewachsen in einer idyllischen Gegend in Nidwalden, wollte Felizitas Ambauen gerade extra nicht Psychologie studieren wie ihre Mutter. Sie tat es schlussendlich trotzdem. Ihre Mutter freute sich. Heute hat die 41-Jährige eine eigene Praxis, schreibt Kolumnen, gibt Paarworkshops gemeinsam mit ihrem Partner und hat im erfolgreichen Podcast «Beziehungskosmos» Tipps für Tausende Schweizer: «Es hat mich überrascht, wie viel Vertrauen über einen Podcast aufgebaut werden kann.» Die Paar- und Psychotherapeutin wohnt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Nidwalden.
Warum haben wir immer noch Hemmungen, eine Paartherapie zu machen?
Es nicht geschafft zu haben, gescheitert zu sein, sich blosszustellen – dieses Gefühl schwingt bei vielen mit. Aber das ändert sich gerade. Ausserdem gibt es einen Generationenunterschied: Bei den Jungen gehört eine Therapie zu einem guten Leben dazu. Das heisst auch, die Leute kommen früher. Das ist gut. Wenn sie kommen, bevor es hapert, kann man sehr schnell sehr viel dagegen machen.
Ist der Podcast eine Gratis-Therapiestunde?
Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, das gehe nicht per Podcast. Heute bin ich nicht mehr sicher, wenn ich all die Rückmeldungen lese.
Was für Rückmeldungen?
«He, ihr habt unsere Beziehung aus der Krise geholt.» Gestern schrieb mir eine Frau, dass wir sie durch die Zeit mit ihrem Baby gerettet hätten. Ohne den Podcast hätte sie es nicht geschafft, auf sich selbst zu achten. Oder: «Wir haben dank eurem Podcast wieder Sex.»
Ist Sex bei jeder Paartherapie Thema?
Nein, aber fast.
Eine aktuelle Folge heisst «Sexfrei – oder wieso sexuelle Abstinenz auch eine Option ist».
Die meisten denken, dass in einer Beziehung ohne Sex der Wurm drinsteckt. Das stimmt so einfach nicht! Kann sein, muss aber nicht. Wenn jeder seine Sexualität so leben darf, wie er oder sie will, muss es auch erlaubt sein, darauf zu verzichten.
Kennen Sie viele Paare, die sexfrei eine Beziehung leben?
Nein, das ist nur ein Bruchteil. Aber es gibt sehr viele Paare, die nach der Therapie eine bewusstere Sexualität leben, und das heisst nicht immer, dass die Frequenz für Sex steigen muss, damit er als besser empfunden wird. Oft ist es umgekehrt. Man schafft sich dafür klare Räume, nimmt sich Zeit und hat Sex, wenn man emotional und von der Energie her bereit dazu ist. Und es gibt Paare, die sich bewusst entscheiden, eine gewisse Zeit darauf zu verzichten, weil es gerade so schwer vereinbar ist mit allem. Kommunikation ist hier das A und O.
Es geht immer um Kommunikation. Das nervt. Weil es so banal ist und man es doch nicht hinkriegt.
Kommunikation ist bloss die äussere Zwiebelschale. Man muss verstehen, was dahinter abläuft: Wie geht es der Person? Was braucht sie? Es geht weniger um das, was man sagt, als darum, wie und wann man es sagt. Richtig kommunizieren ist oft streng, darauf haben viele keine Lust.
Es scheint, Menschen sehnen sich nach Hilfestellungen in der Beziehung wie nie zuvor.
Ja total. Es ist gerade das Ding. Einerseits der Schub durch die Pandemie, andererseits die leichte Erreichbarkeit. Psychotherapeuten geben sogar auf Tiktok Tipps. Es gibt aber auch eine Kehrseite.
Die wäre?
Der Selbstoptimierungshype. Dass man sich mit psychologischer Arbeit einen Vorteil in unserer Leistungsgesellschaft verschaffen will. Und es gibt auch ein Zuviel. Zu viele Ratgeber-Inputs. Nicht jedes Angebot, wo Psychologie draufsteht, ist fundiert.
Mit was für Sorgen kommen die Menschen noch zu Ihnen?
Bei Paaren mit Kindern ist meist die fehlende Paarzeit ein Thema. Sie möchten Strategien, wie sie diese möglichst stressfrei einbauen können. Es geht oft um die Frage, wie man das ganze Familiensystem in Balance bringt.
Ist Kinderhaben heute schwieriger für die Paarbeziehung?
Spannende Frage. Herausfordernd ist passender. Die Stellung der Frau hat sich geändert: Wenn sie ein Baby bekommt, steht sie mitten im Leben, verdient ihr eigenes Geld, hat eine Karriere. Deswegen wird die Vereinbarkeit komplizierter. Die Bereiche vermischen sich, beide machen alles. Das ist gut, aber streng. Andersherum hatten wir noch nie so viel Zeit für Kinder und Partner.
Wie meinen Sie das?
Die Generationen vor uns haben sich nicht so viel Gedanken gemacht, wie sie erziehen und wie gut ihre Beziehung ist. Wir haben so viel Paarzeit wie noch nie. Die Erschöpfungsgefahr ist so gross, weil wir oft sehr schlecht planen.
Planen, das klingt auch wieder anstrengend. Sie raten Paaren zum Wetterbericht. Was ist das?
Sich regelmässig hinsetzen und in Ruhe reden, was einen bewegt, was man denkt und braucht. Zugewandt und interessiert. Das, was ich eigentlich in der Therapie mit ihnen mache. Aber allein. Man darf es nicht mit der Teamsitzung verwechseln.
Und was ist das?
Bei der Teamsitzung hat man die Agenda in der Hand und plant die Woche. Administratives, Kinderbetreuung. Man bespricht es wie im Büro. Mein Partner und ich möchten ohne sie keine Woche starten.
Sie sprechen im Podcast immer wieder von Prägungen.
Es geht darum, wie wir aufgewachsen sind, was wir gelernt und beobachtet haben, wie mit uns umgegangen wurde. Diese Muster übernehmen wir und merken es oft gar nicht.
Sie haben auch eine Folge zur Schwiegerfamilie.
Die Schwiegereltern können Dinge triggern, die wir aus der Paarbeziehung kennen. Heisst: Wir sehen, dass der Partner ähnliche Eigenschaften hat wie seine Mutter oder sein Vater und projizieren unseren Ärger dann direkt auf sie.
Im Podcast sagen Sie, Reibereien gäbe es meist mit den Schwiegermüttern.
Die Schwiegerväter tarnen sich vielleicht einfach besser. Die Schwiegermütter sind meistens auch enger in der Kindererziehung involviert. So hat man auch das Gefühl, es wird mehr reingeredet.
Es sind wieder die Frauen, die mehr machen. Wir sprachen zusammen über Mental Load, die ewige To-do-Liste im Kopf der Frauen. Die noch länger wird, wenn ein Kind auf die Welt kommt. Auch wenn man gleich viel arbeitet und die Kinder gleich viel betreut, egal welche Mutter man fragt, es gibt immer noch viele Sachen, die nur die Frau erledigt.
Es ist schwierig, das in wenigen Worten zu erklären. Ich versuchs: Weil wir es alle so gelernt haben; Frauen, dass sie dafür verantwortlich sind, und Männer, dass sie darauf nicht achten müssen. Von klein auf lernen Mädchen, dass sie den Überblick über alle Care-Arbeit haben müssen, dass sie verantwortlich sind, dass der Laden läuft. Selbst wenn eine Frau möchte, dass sie das gleich aufteilen, ist sie darauf angewiesen, dass der Mann das ebenso sieht.
Kann die Frau auch Gegensteuer geben?
Ja, wir müssen uns unserer eigenen Denkmuster und autoritären Stimmen im Kopf bewusst sein als Frau. Denn manchmal tappen wir wieder in die Fallen, die wir vermeiden wollen, weil wir uns selbst nicht erlauben, es lockerer zu sehen oder etwas abzugeben. Aber: Ich erlebe immer mehr Paare, denen es mehr und mehr gelingt, eine Balance zu schaffen.
Ach, und wie?
Ich weiss aus meinen Therapiesitzungen, dass es wesentlich ist, dass der Mann offen ist gegenüber der Emanzipation und nicht zu konservativ ist. Das gilt für beide. Es ist manchmal meine Aufgabe, erst das Bewusstsein zu schaffen, dass Frauen am kürzeren Hebel sitzen.
In den letzten Wochen stand das Ex-Paar Johnny Depp und Amber Heard vor Gericht. Es war eine öffentliche Schlammschlacht. Wie kann man sich so hassen, obwohl man sich einmal liebte?
Ich gebe ungern ein Urteil über Menschen, die ich nicht kenne. Aber apropos lieben, wir wissen nicht, wie die Beziehung vorher war. Was man sagen kann: Menschen, die sehr intensiv fühlen, tun das in die eine wie auch in die andere Richtung. Also aus starken positiven Gefühlen können stark negative entstehen. Krass finde ich, dass alles öffentlich gemacht wurde und die halbe Welt mitredet, obwohl alle nur Fragmente kennen.
Haben Sie noch einen Gratis-Tipp für die Leser und Leserinnen?
Mein wichtigster Tipp: Sich erst mal mit sich selbst befassen, bevor man die Partnerschaft verändern will. Wissen wir nicht, wo wir in unserem Kopf drüberstolpern, werden wir keine stimmige Beziehung führen können. Es muss einem klar sein, dass eine Beziehung nicht einfach ist. Oder wie man so schön sagt: «Man hat nicht eine Beziehung, man führt sie.» Beziehung ist stetiges Dranbleiben und Interessiert-Sein.
Das klingt schon wieder so anstrengend.
Beziehungen sind aufwendig. Man kann sie nicht liegen lassen und davon ausgehen, dass sie gut bleiben.
Was sind Alltagsfallen? Wie geht Sex? Kinder – ja oder nein? Alle zwei Wochen besprechen die Paar- und Psychotherapeutin Felizitas Ambauen und die Journalistin Sabine Meyer die brennendsten Beziehungsfragen. Mit Beispielen aus dem Praxisalltag und Tipps. Das Ratgeber-Duo hat einen Nerv getroffen. Ihr Podcast «Beziehungskosmos» hat eine immer grössere Fangemeinde. Mit
50'000 Downloads pro Woche und fast 2 Millionen insgesamt sind sie auf Platz 5 der beliebtesten Podcasts in der Schweiz. Und das ohne Kooperationen oder Medienhaus im Rücken, sie finanzieren sich einzig durch freiwillige Spenden und Abos. «Wir haben einfach mal losgelegt und sind selbst überrascht über den Erfolg», sagt Ambauen. Nun kommt der Podcast live auf die Bühne: «BEZIEHUNGSKOSMOS • TALK», Bistro Kosmos Zürich, 11. Juni; für den Auftritt im Kaufleuten Zürich, 24. August, gibt es noch Tickets.
Was sind Alltagsfallen? Wie geht Sex? Kinder – ja oder nein? Alle zwei Wochen besprechen die Paar- und Psychotherapeutin Felizitas Ambauen und die Journalistin Sabine Meyer die brennendsten Beziehungsfragen. Mit Beispielen aus dem Praxisalltag und Tipps. Das Ratgeber-Duo hat einen Nerv getroffen. Ihr Podcast «Beziehungskosmos» hat eine immer grössere Fangemeinde. Mit
50'000 Downloads pro Woche und fast 2 Millionen insgesamt sind sie auf Platz 5 der beliebtesten Podcasts in der Schweiz. Und das ohne Kooperationen oder Medienhaus im Rücken, sie finanzieren sich einzig durch freiwillige Spenden und Abos. «Wir haben einfach mal losgelegt und sind selbst überrascht über den Erfolg», sagt Ambauen. Nun kommt der Podcast live auf die Bühne: «BEZIEHUNGSKOSMOS • TALK», Bistro Kosmos Zürich, 11. Juni; für den Auftritt im Kaufleuten Zürich, 24. August, gibt es noch Tickets.