Ob Puddings, Brot, Quark, Hüttenkäse oder Riegel: Plötzlich gibt es alles in einer Variante mit extra viel Protein. Proteine, umgangssprachlich auch Eiweisse genannt, scheinen in vielen Supermärkten die Light-Produkte abgelöst zu haben.
Grossverteiler Migros bestätigt diese Beobachtung auf Nachfrage: Der Trend habe sich gewandelt, der Konsument interessiere sich «immer mehr für Lifestyle und Fitness statt für Verzicht und Abnehmen per Diät». Migros hat daher ihre Light-Produktelinie «Léger» deutlich reduziert. Auch Coop beobachtet diese Tendenz hin zu eiweissreichen Lebensmitteln: «Wir verzeichnen derzeit einen Trend rund um Low-Carb- und High-Protein-Produkte.»
Darum sind Proteine wichtig beim Abnehmen
Maria Keel (30), stellvertretende Leiterin Ernährungstherapie und Diabetesfachberatung von der Klinik Hirslanden Zürich, erklärt: «Proteine gehören zu den Makronährstoffen und bestehen aus Aminosäuren. Diese sind lebensnotwendig und sind dementsprechend Bestandteil einer gesunden, ausgewogenen Ernährung.»
Proteine könnten bei einer optimalen Regeneration vom Sport helfen sowie auch beim Muskelaufbau: «Und Proteine haben eine sättigende Wirkung und können somit positive Effekte beim Gewichtsmanagement haben.» Weiter führt sie aus: «Sie helfen bei der Regulation eines guten Hunger-Sättigungsgefühls, für eine optimale Unterstützung derselben sind aber auch die anderen Makronährstoffe nicht wegzudenken.» Fette und Nahrungsfasern seien dafür ebenso wichtig. Und: Auch ein bewusstes, langsames Essen ohne Ablenkung und regelmässige Mahlzeiten helfen dabei, sich satt zu fühlen.
Kann man zu viel Protein essen?
Dass Proteine aktuell einen Hype erleben, bestätigt auch die Expertin. Sie betont jedoch: «Schlussendlich ist und bleibt der Grundsatz für eine gesunde, ausgewogene Ernährung, dass eben alles eine Frage der Menge ist.»
High-Protein-Hype: Sind Protein-Riegel gesünder als das Schoggi-Stängeli?
Zu Protein-Puddings, Protein-Pulvern und weiteren ähnlichen Produkten sagt sie: «Für gesunde Menschen, die sich ausgewogen und abwechslungsreich ernähren, ist das nicht nötig. Bei gewissen Krankheiten, zum Beispiel bei einer Mangelernährung, sind Protein-angereicherte Produkte hilfreich, um den erhöhten Proteinbedarf abdecken zu können.»
Generell meint Keel, man solle sich nicht bloss auf einen Nährstoff in der Ernährung fokussieren – die Kombination aller Nährstoffe sei wichtig. Sie empfiehlt: «Jede Mahlzeit soll jeweils aus gleichen Teilen Stärkebeilage, Gemüse oder Salat und Proteinen wie Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Hülsenfrüchte, Tofu, Quorn, etc. bestehen.»
Grossverteiler reagieren auf Protein-Hype
Für die Grossverteiler ist der Hype ein gefundenes Fressen: Sie stocken Eiweiss-Produkte auf, die umgehend zum Kassenschlager werden. «Coop verfügt über eine Vielzahl an proteinhaltigen Produkten wie Tofu oder High-Protein-Drinks. Unter den Eigenmarken bietet Coop rund 80 Produkte an, die mit ‹High Protein› ausgelobt sind. Hinzu kommen zahlreiche High-Protein-Markenprodukte», schreibt der Grossverteiler auf Anfrage.
Auch vegane Produkte mit hohem Proteingehalt seien ein Thema: «So haben wir kürzlich mit dem Karma High-Protein-Vark eine vegane Alternative zu Quark eingeführt.» Weiteres Ausbaupotential sieht Coop insbesondere bei den Müesli und Cerealien, Nüssen sowie Proteinriegeln.
Verkaufsmasche «High Protein»-Sticker?
Die Migros hingegen kann keine genaue Zahl nennen, wie viele Protein-Produkte unterdessen in den Regalen stehen: «Grund dafür ist unter anderem die regionale Sortimentsstruktur und die Tatsache, dass wir für die Auslobung ‹High Protein› kein Label führen, welches eine Quantifizierung der Produkte erlauben würde.» Jedoch führt auch sie diverse Eigenmarken mit Dutzenden von Protein-Produkten.
Was bei den Grossverteilern ausserdem auffällt: Zwar kommen viele neue Protein-Produkte ins Sortiment, jedoch kleben auch plötzlich auf altbekannten Produkten wie Hüttenkäse und Magerquark Sticker mit der Aufschrift «High Protein». Eine Verkaufsmasche, um das ansonsten unveränderte Produkt dem Kunden schmackhaft zu machen?
Migros und Coop verneinen – und auch ihre Begründung für die Aufkleber decken sich. Man wolle dem Kunden, der sich für Lifestyle und Fitness interessiere, so das Einkaufen leichter machen und ihn direkt darauf hinweisen, dass es sich um ein Lebensmittel mit hohem Proteingehalt handle.
Expertin Maria Keel meint dazu: «Die Kennzeichnung ist ein nützlicher Hinweis, wenn man auf Proteine aufgrund Krankheiten, Wundheilung und so weiter achten muss, und wenn vertiefte Lebensmittelkenntnisse fehlen. Sie wird auch zu Marketingzwecken verwendet.»