Anteprime Toscane
Die aktuellen Jahrgänge im Check

Chianti Classico, Brunello, Vino Nobile und Co.: Bei den «Anteprime Toscane» stellen die toskanischen Weinproduzenten jedes Jahr im Februar ihre aktuellen Jahrgänge vor und berichten über die Neuigkeiten in ihrer Weinregion.
Publiziert: 22.03.2016 um 15:07 Uhr
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Aktualisiert: 21.09.2021 um 19:19 Uhr
Heute im Zentrum: die neuen Weine aus der Toskana.
Foto: iStockphoto

Wer im Februar in die Toskana fährt, tut das nicht des Wetters wegen: Der Himmel über Florenz ist grau bedeckt, und es giesst ununterbrochen. Was Weinexperten aus der ganzen Welt jedes Jahr dorthin lockt, ist die Präsentationsreihe «Anteprime Toscane» - die Vorschau auf die neuen Jahrgänge von Chianti, Chianti Classico, Vernaccia di San Gimignano, Vino Nobile und Brunello.

Der Jahrgang 2014, der für viele Weine der aktuelle ist, stellte auch die Winzer in der Toskana vor Herausforderungen. Kalt war das Jahr, regnerisch dazu – da waren alle gefordert. Aber wie Fabio Ratto, Leiter des Brunello-Weinguts Pian delle Vigne, betont: «In einem guten Jahrgang kann jeder einen guten Wein machen. Gerade in den nicht optimalen Jahren zeigt sich aber, wer wirklich zu den Top-Produzenten gehört.»

Chianti – Bauernwein-Image hinter sich gelassen

Die Chiantis aus Regionen wie Colli Senesi, Colli Fiorentine oder Colline Pisane stehen überwiegend für unkomplizierten Genuss. «Sie sollten frisch und fruchtig sein und jung getrunken werden», erklärt Verena Moser, Verkaufsleiterin der Tenuta Il Corno. «Etwas Tannine dürfen sie zeigen, sie sollten aber nicht zu holzbetont sein.»

Dass Chianti früher einmal ein einfacher Bauernwein war, der oft in bauchigen Korbflaschen («fiasco») ausgeschenkt wurde, davon merkt man heute nicht mehr viel. «Vor 40 Jahren schmeckte der Chianti eher harsch», weiss Niccolò Casini, Seniorchef des Weinguts Bindi Sergardi. «Die Rebsorte Sangiovese hat zwar eine gute Farbe, ist von Natur aus aber eher aggressiv im Geschmack. Das hat man aber im Laufe der Zeit verbessern können, indem man andere Klone und zudem andere Rebsorten zum Verschnitt dazu nahm.»

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Chianti Classico – Neue Top-Kategorie Gran Selezione im Fokus

Das Chianti Classico-Gebiet feiert in diesem Jahr ein Jubiläum: Vor 300 Jahren wurden die Grenzen des Gebietes für den Anbau von Chianti festgelegt – dieses Gebiet ist heute die Chianti Classico-Region. Die besondere Wertigkeit der dort hergestellten DOCG-Weine herauszustellen, und sich von den anderen Chiantis abzuheben, ist das Anliegen des Konsorziums für den Chianti Classico.

Vor zwei Jahren führte die Produzentenvereinigung eine neue Qualitätsstufe über der Riserva ein: die Gran Selezione, die für die absoluten Spitzenweine des Chianti Classico stehen soll. Rund 100 Weingüter haben sie bisher laut Konsorziums-Präsidenten Sergio Zingarelli eingeführt. Sein Weingut Rocca delle Maciè war natürlich eines der ersten. «Die Gran Selezione soll auch für etwas ursprünglich Italienisches stehen», erklärt Georgeta Perhald, Brand Ambassador für Rocca delle Maciè.

 

Doch nicht alle Weingüter sind davon überzeugt. «Alles, was die Qualität des Chianti Classico herausstellt, ist gut – ich wäre das aber etwas anders angegangen, etwa, indem ich die Riserva mehr herausgestellt hätte», meint Barbara Widmer, Inhaberin vom Weingut Brancaia.

Manche liessen sich aber auch umstimmen: Das Weingut Isole e Olena galt bei der Einführung noch als einer der grössten Skeptiker – schliesslich wisse man nicht, worauf genau man sich da einlasse, hiess es. Doch schon kurz darauf brachte es dann doch eine eigene Gran Selezione heraus – nur 1000 Flaschen, die sofort ausverkauft waren.

Brunello – Liegen lassen lohnt sich

In Montalcino, wo der Brunello angebaut wird, ist gerade der Jahrgang 2011 bzw. 2010 für die Riserva herausgekommen. Er reift mindestens vier Jahre, davon mindestens zwei Jahre im Fass. Die optimale Trinkreife erreicht dieser Wein aber später. «Die Jahrgänge, den wir aktuell zum Trinken empfehlen, sind 2008 für Brunello und 2004 für die Riserva», berichtet Lara Brandoni von der Tenuta di Sesta. «Manchmal entfaltet ein Jahrgang seine Güte auch erst mit den Jahren. Vor zwei Jahren hatten wir eine Präsentation in einem Restaurant in Kopenhagen. Dabei wurde versehentlich unser 2005er statt des vorgesehenen 2007ers serviert. Ich bemerkte sofort den Fehler, aber die Auflösung erstaunte mich: Dieser eigentlich als durchschnittlich angesehene Jahrgang hatte sich mit der Reife völlig neu entwickelt.»

Auch um den aktuellen Jahrgang 2015 ging es in Montalcino. Von ihm erwartet man dort von Anfang an sehr viel – kein Wunder, denn von dem sehr warmen Erntejahr schwärmen die Winzer in ganz Europa. Montalcino lässt jeden Jahrgang von einem Önologen-Team aus der Region bewerten. Die diesjährige Bewertung, die bei den Anteprime bekannt gegeben wurde, überraschte kaum: fünf von fünf möglichen Sternen für 2015. Zum Vergleich: 2014 erreichte gerade einmal drei Sterne.

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Vino Nobile – Sterne-Regen auch in Montepulciano

Auch Montepulciano, wo der Vino Nobile zu Hause ist, lässt Sterne vergeben, und auch hier hiess es in diesem Jahr: fünf Sterne für den 2015er. «Für das Jahr 2015 ist ein gleichmässiger Reifeprozess charakteristisch, der beim Wein intensive Aromen, eine dunkelrote Farbe und eine frische Säure hervorbringt», urteilt der Önologe Maurizio Castelli.

Aber auch hier finden sich Beispiele für schwierige Jahrgänge, die ihren Reiz mit dem Alter erlangen: z.B. der Vino Nobile di Montepulciano 2002 von Salcheto, der sich bei einer Vertikalverkostung als überraschend gut entwickelt und trinkfreudig herausstellte – besser als mancher Jahrgang davor und danach. «Das verdanken wir der guten Klimatisierung, die an unseren Hanglagen herrscht», erklärt Weinguts-Besitzer Michele Manelli.

Im Weingut La Braccesca stellt Kellermeister Lorenzo Dongarrà vor allem seinen Vino Nobile 2008 aus der Einzellage Santa Pia heraus: «Er ist noch jung wie ein Baby – der hat noch ein langes Leben vor sich.» Der Lagenwein wird nur in Jahren mit Potenzial gemacht. Auch 2015, allerdings meint Dongarrà: «2015 wird sehr gute, aber keine besonderen Weine hervorbringen.»

Zwei Schweizer in San Gimignano

Die beiden Schweizer Heinz und Gisela Ehrenbold haben bereits Ende der 1980er-Jahre das Weingut Rampa di Fugano erworben.
Foto: Rampa di Fugano

In San Gimignano darf man schon den 2015er – und von der Riserva den 2014er – vorstellen, denn der Vernaccia, für den die Gemeinde bekannt ist, wird meist jung getrunken. Immer mehr der 58 Produzenten für den bekanntesten Weissen der Toskana setzen auf biologischen Anbau. «Wein ist Teil der Ernährung und sollte daher auch Bio-Qualität haben», findet z.B. Alessandro Tofanari, Inhaber des Weinguts La Castellaccia.

Auch Luca Lucii von Lucii Libanio berichtet: «Seit 2000 spritzen wir keine Herbizide im Weinberg mehr, sondern nur noch Kupfer und Schwefel. Wir verzichten auch auf künstliche Dünger, dafür setzen wir auf Gras und Blumen im Weinberg.» Besonders stolz ist er auf seine Einzellage Cellori, die südlich ausgerichtet und geprägt von Lehm und Steinboden ist. Von ihr verkostet er den 2013er-Jahrgang, um zu zeigen, dass ein guter Vernaccia seine Frische auch länger erhalten kann.

Seit zwei Jahren wieder zurück unter den Weinproduzenten in San Gimignano sind die beiden Schweizer Heinz und Gisela Ehrenbold. Ende der 1980er-Jahre hatte das Ehepaar das Weingut Rampa di Fugnano erworben: «Wir suchten hier ein Haus als Alterssitz. Den Wein haben wir schon immer geliebt, ansonsten wussten wir nicht viel darüber», schmunzelt Heinz Ehrenbold. Also lasen sie sich kurzerhand einiges an und 1991 brachten sie ihren ersten Jahrgang heraus. Nachdem sie das Gut in der Zwischenzeit verpachtet hatten, hat es sie nun wieder in die «Stadt der Türme» zurückverschlagen. Neben dem apfelfrischen Vernaccia Alata, den es auch als schmelzige Riserva gibt, stellen sie als Spezialität mit persönlicher Note auch einen reinsortigen Viognier her, den «Vi ogni è»: «Wir sind eben Puristen», kommentiert Heinz Ehrenbold.

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