Auf einen Blick
- Erster Liebeskummer ist unvergesslich und schmerzhaft
- Therapeutin Hofmann: Gefühle ernst nehmen und durchleben
- Studie: Trennungen erhöhen Risiko für Depression und Suizidgedanken
«Ich habe gar nicht richtig realisiert, was passiert», sagt David* (20) über seine Trennung. Es war seine erste und sie ist noch nicht lange her. Er war traurig, aber fühlte sich auch befreit. «Ich wusste, jetzt ist es wirklich vorbei.»
Können Sie sich noch an das erste Mal Verliebtsein erinnern? Vielleicht. Woran Sie sich aber bestimmt erinnern können: die erste Trennung. Schliesslich wirft einen kaum etwas so sehr aus der Bahn, wie dieser erste, richtig grosse Liebeskummer. Fast nichts ist vergleichbar mit diesem Gefühl von Ohnmacht. Diesem Schmerz, der nie zu enden scheint. Der Traurigkeit, Wut, Verzweiflung und Einsamkeit. Für viele Menschen ist der erste Liebeskummer der schlimmste. Aber wieso ist er so unvergesslich?
Erinnerungen, die bleiben
In der Psychologie spricht man vom Primäreffekt. Die intensiven Emotionen, die wir bei einem ersten Mal erleben, brennen sich in unsere Psyche ein. Die Erinnerungen daran verblassen in der Regel nicht. Hinzu kommt, dass wir besonders lebhafte Erinnerungen an die Zeit zwischen 15 und 25 haben. Wir erinnern uns nicht nur besser, wir haben auch das Gefühl, dass wir in dieser Zeit mehr Erfahrungen sammeln. Dies, weil wir in diesem Lebensabschnitt so viele erste Male – eben auch das erste Mal Liebeskummer – erleben.
Fest steht, dass Liebeskummer wehtut. Und er ist unvermeidbar. Er gehört zur Pubertät dazu wie die schlechte Laune, die Pickel und der Streit mit den Eltern. «Dieser Moment wird immer zur Lebensbiografie gehören», sagt auch Margareta Hofmann (65), Paartherapeutin bei Paarberatung & Mediation im Kanton Zürich. Sie behandelt immer wieder junge Menschen, die die erste Trennung mit ihrer Hilfe verarbeiten. Sie sagt: «Wir werden diese wichtige Erfahrung nie vergessen.»
Nur: Die wenigsten von uns sind für den ersten Liebeskummer genügend gewappnet. Woher sollten wir auch wissen, dass er nachlässt, wenn wir ihn zum ersten Mal erleben? Für Erwachsene kann es leicht sein, den ersten Liebeskummer herunterzuspielen, vielleicht sogar zu belächeln. Sie haben es ja schliesslich (in der Regel) auch geschafft, darüber hinwegzukommen. Dabei sollten diese Gefühle ernst genommen werden, sagt Therapeutin Hofmann. «Der erste Liebeskummer braucht dringend Aufmerksamkeit, und er sollte begleitet werden.» Denn: «Es ist ein aufwühlendes und anstrengendes Erlebnis.» Und etwas völlig Neues. Das erste Mal eben.
Liebeskummer sollte ernst genommen werden
Der erste Liebeskummer sei vor allem deshalb so schlimm, weil das erste Mal Verliebtsein so toll ist. «Die erste grosse Liebe ist überwältigend», sagt Hofmann. «Alles ist farbig und intensiv. Und intensiv geht es auch mit den Gefühlen hoch und runter.» Hinzu komme, dass die Hormone verrückt spielen. Ein Cocktail aus Oxytocin und Dopamin.
«In der subjektiven Wahrnehmung sind das erste Mal Verliebtsein und die erste Trennung meist das Stärkste, was junge Menschen bisher erlebt haben», so die Therapeutin. Ausserdem würden sie sich oftmals in Beziehungen hineinstürzen, die Exklusivität zelebrieren. Dann heisst es: Wir gegen die ganze Welt. Wenn dieses Wir zerbricht, die Hormone in den Keller sausen und man in ein Loch fällt: Was dann?
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Im schlimmsten Fall kann Liebeskummer zerstörerisch werden. Das zeigt auch die Forschung. Eine Studie des Psychologie-Instituts der University of Oregon zeigte, dass Trennungen nicht nur schmerzhaft sind; für junge Erwachsene sind sie sogar einer der häufigsten Risikofaktoren für eine klinische Depression. Nicht nur das: Liebeskummer wird auch mit einem erhöhten Risiko für Suizidgedanken in Verbindung gebracht.
Schmerz kann zerstörerisch werden
Trennungsschmerz zu verarbeiten, sei schwierig, sagt Hofmann. «Man hat ja noch keine Erfahrung.» Plötzlich seien da diese Gefühle, die man durchläuft. Trauer, Einsamkeit, Verwirrung, Scham. Oder körperliche Symptome: Nicht mehr essen, trinken, schlafen. «Die Gedanken kreisen nur noch um den Kummer, das ist extrem lähmend.»
Einige würden diesen Kummer, das Zerstörerische gegen sich selbst richten. Mit Alkohol und Drogen den Schmerz betäuben, sagt die Therapeutin. «Oder sie richten die Zerstörung gegen andere, zum Beispiel, indem sie den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin stalken.»
Dann gebe es auch diejenigen, die den Schmerz verdrängen. Den Kummer ignorieren. Und sich mit jemand Neuem ablenken. Davon rät Hofmann entschieden ab. «Wer sich gleich wieder bindet, wird seine Muster wiederholen.» Und ohne Selbstreflexion steige auch die Trennungswahrscheinlichkeit.
Richtig verarbeiten
Wie kann man es also besser machen? Alle Gefühle durchmachen, rät Hofmann. Und sie auf keinen Fall verdrängen. Und im besten Fall gelange man irgendwann bei der Wut an. Denn: «Wut gibt Kraft und macht lebendig», sagt Hofmann. Ist man erst mal wütend, ist man auf dem Weg zur Besserung. Und dann kommt irgendwann die Neuorientierung. Man hat sich neu sortiert, steht wieder im Leben, ist nicht mehr wütend.
Therapeutin Hofmann sagt, dass der (erste) Liebeskummer gesund ist. Anstrengend, klar. Aber auch wichtig. «Er stärkt nicht nur das Nervensystem, man baut auch emotionale Widerstandskraft gegen kritische Lebensereignisse auf.» Die Narben, die bleiben, würden das Leben bereichern. Und einen für nächste Beziehungen wappnen. Liebeskummer führe im besten Fall zu Selbsterkenntnis. Und wer sich das nächste Mal verliebe, werde sich Fragen stellen: Was suche ich überhaupt? Und was will ich anders machen? Emotionale Reife eben.
Weshalb man sich trotzdem wieder verlieben sollte
Die erste grosse Liebe, der erste grosse Liebeskummer. Sie bringen viel Lebensfreude, aber auch viel Lebensschmerz, wie Hofmann es bezeichnet. «Aber das gehört nun mal dazu.» Wer sich davon fernhalte, lebe ein monotones Leben. Man solle den Mut haben, das Leben in all seinen Facetten zu erfahren. Dazu gehöre das Sich-Verlieben und der Liebeskummer. Trotzdem sei es gut, gewappnet zu sein. «Wenn man weiss, was auf einen zukommt und was hilft.»
David hat sich nach seiner Trennung dazu entschieden, bei einer Psychologin Hilfe zu holen. Und das nicht einmal unbedingt, weil er traurig war. «Ich wusste, dass ich an gewissen Sachen arbeiten muss und noch nicht die beste Version meiner selbst bin», sagt er. Was er bisher gelernt hat: sich nicht ablenken und die negativen Gefühle zulassen. «Und all die Energie und Emotionen, die ich in mir trage, gezielt für Positives zu nutzen.»
Und irgendwann ist es dann geschafft. Nach dem Schmerz setzt die Erleichterung ein. Dieses Gefühl, wenn man merkt: Man hat den Liebeskummer tatsächlich durchgestanden. Er geht vorbei. Was anfangs unvorstellbar schien, ist gelungen.
* Name geändert