«Ich mag es nicht, wenn man immer weiss, wo ich bin»
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Standort teilen in Beziehung:«Ich mag es nicht, wenn man immer weiss, wo ich bin»

Kontrolle statt Vertrauen
Baby, ich weiss, wo du bist!

Ob Snapchat, Live-Standort teilen oder Akku-Kontrolle: Die Überwachung von Partnern und Freundinnen per Smartphone ist bei Jugendlichen weit verbreitet. Experten warnen vor den negativen Folgen für Vertrauen und Autonomie.
Publiziert: 07.09.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 07.09.2024 um 10:05 Uhr
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Den Standort der Freundin oder des Freundes zu tracken, ist unter vielen Jugendlichen normal.
Foto: Shutterstock
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Sara BelgeriRedaktorin

Alina (17) hat seit einem Jahr einen Freund. Sie sind glücklich zusammen – und sie tracken sich. «Nicht, weil ich ihm nicht vertraue, sondern weil ich mir Sorgen mache. Ich will einfach wissen, wo er ist.» Auf drei Arten sehen sie ihren Standort: via Snapchat, iPhone-Tracker und mithilfe einer App namens Life360. Bei Letzterer kann man den Standortverlauf sowie den Batteriestand des anderen abrufen.

Das macht nicht nur Alina so: «All meine Freundinnen teilen ihren Standort mit ihrem Freund.» Aber nicht nur die Pärchen würden einander tracken, auch unter Freundinnen und Freunden sei es normal, dass man den Standort miteinander teilt. Was man von Helikopter-Eltern kennt, die ihre Kinder auf Schritt und Tritt verfolgen, ist also auch unter Jugendlichen weit verbreitet.

Sicherheit dank Kontrolle

Alina sagt, dass sie eifersüchtig ist. Diese Art von Kontrolle gibt ihr Sicherheit – aber führt auch zu Konflikten. Einmal bekam sie eine Nachricht, dass ihr Freund sein Zuhause verlassen hatte. Danach antwortete er für mehrere Stunden nicht. «Wir hatten Streit, weil er mir nicht gesagt hat, dass er hinausgegangen ist, und lange nicht geschrieben hat.»

Streit bekommen sie auch, wenn sie schon fertig mit Arbeiten ist und in die Stadt geht, ohne es ihm zu sagen. Er habe dann Angst, dass sie fremdgehen würde. «Ich habe das Gefühl, ich muss mich rechtfertigen für das, was ich mache und wo ich bin», sagt Alina.

Auch Ronnie (17) und seine Ex-Freundin teilten ihren Standort miteinander. «Wir hatten schliesslich nichts voreinander zu verbergen», sagt er. Das Problem: Auch wenn er nichts vor seiner Freundin zu verheimlichen hatte, fühlte er sich, als müsse er sich rechtfertigen. Dafür, wo er war, und was er dort gemacht hatte. «Das ist der erste Schritt zu Missvertrauen. Und sobald das einmal etabliert ist, ist es mega schwierig, das Vertrauen wiederherzustellen», sagt er. 

Kontrolle – häufigste Form der Gewalt

Laut eines Forschungsberichts zur Entwicklung von Gewalterfahrungen Jugendlicher im Kanton Zürich gilt das sogenannte Monitoring, also die Kontrolle und Überwachung des Partners oder der Partnerin, als eine Form von Gewalt. Nicht nur das: Es ist die weitaus häufigste Form von Gewalt in Beziehungen von Jugendlichen. Laut dem Bericht gaben 2021 rund 50 Prozent der Mädchen und rund 40 Prozent der Knaben an, das Handy ihres Partners überprüft zu haben. Und rund 55 Prozent der Mädchen und 52 Prozent der Knaben waren schon mal Opfer solchen Monitorings.

Marco Bezjak (47) ist Präsident der Mojuga-Stiftung für Kinder- und Jugendförderung und macht offene Jugendarbeit. Er sagt, dass Monitoring in den Jugendtreffs ein Thema sei. «Vor allem die Snapchatfunktion, sich live zu verfolgen, wird unter den Jugendlichen genutzt. Man muss ständig zeigen, wo man ist und was man macht.» Wer nicht mitmache, signalisiere, dass er etwas zu verheimlichen habe. «Snapchat löschen oder den Standort ausschalten, sind keine Option.»

Auch Freundinnen tracken sich

Der Jugendarbeiter nennt das Beispiel eines Jugendlichen, der seine Freundin ständig via Handy überwacht und auch Freunde eingespannt hatte, um sie zu bespitzeln. Solch ein krasser Fall sei aber die Ausnahme. Trotzdem: In Bezjaks Erfahrung sind es eher die Knaben, die die Mädchen überwachen. «Sie haben das Gefühl, dass es normal ist, immer wissen zu wollen, was die Freundin macht.» Das gebe den Mädchen anfangs ein gutes Gefühl, weil sie denken würden, dass der Freund interessiert an ihnen sei. «Oftmals führt die Kontrolle aber zu Stress und Druck.»

Monitoring komme aber nicht nur unter Paaren vor, sondern auch in Freundesgruppen, sagt Bezjak. «Es gehört in die Jugendphase, auszuloten, was Freundschaft und Liebe bedeuten, und sich Fragen zu Treue, Respekt und Kontrolle zu stellen.» Das sei schon vor dem Smartphone-Zeitalter der Fall gewesen, sagt der Jugendarbeiter. «Aber heute hat es ganz andere Dimensionen angenommen.»

Eifersucht und Angst vor Verletzungen

Anruf bei Margareta Hofmann (65). Sie ist Paartherapeutin bei Paarberatung & Mediation im Kanton Zürich. «Diese Art von Kontrolle ist grenzverletzend», sagt sie. Es sei schwierig, auf dieser Basis eine sichere Bindung, Vertrauen und Respekt aufzubauen.

Dabei wäre dies vor allem bei jungen Menschen sehr wichtig. Denn: Erste Liebesbeziehungen sind eine prägende Erfahrung. Wer schon in jungen Jahren einen unsicheren Bindungsstil hat, trägt diesen meist ins Erwachsenenalter weiter.

Aber woher kommt das Bedürfnis, einander zu kontrollieren? Als Gründe nennt die Paartherapeutin etwa Eifersucht oder Angst vor Verletzungen. Oder die Jugendlichen würden durch die Kontrolle zeigen wollen, dass sie zusammengehören. Letzteres sei aber ein «fehlgeleiteter Liebesbeweis» – auch wenn dahinter gute Absichten stecken würden. Denn: «Die Privatsphäre fehlt, die Autonomie und der Freiraum werden eingeschränkt, und das führt zu Stress und Belastung.»

Das gilt nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene, die via Smartphone jeden Schritt ihres Partners oder ihrer Partnerin verfolgen.

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