Mit 14 setzte sie sich an eine Nähmaschine und nähte ein Kostüm nach, ohne zu ahnen, dass dies der Anfang einer grossen Leidenschaft sein würde. Damals wusste die Baslerin Catiana Weiss noch nicht, was Cosplay ist, und kopierte bloss eine Youtuberin. Jetzt ist sie 20 Jahre alt, studiert Game Design in Zürich und ist in der Cosplay-Szene zu Hause. Cosplay ist das Verkleiden als eine Figur aus der Popkultur. «Darüber könnte ich stundenlang reden», sagt sie am Telefon. Tragen tut sie die Cosplays vor allem an Shows und Messen wie an der Polymanga in Montreux VD am Osterwochenende.
Dort dreht sich alles ums Thema Videospiel, Anime und Mangas. Dabei können sich die Fans bei der Cosplay-Show beweisen, sich an der Karaoke-Maschine austoben oder bei verschiedenen Interviews ihren Stars gegenübertreten. Auftreten tun Game Designer, Streamer, Comiczeichner und -zeichnerinnen sowie auch Künstlerinnen und Künstler aus der Fan-Art-Szene. Bereits zum 17. Mal findet die Messe statt. Laut Gründer David Heim kamen an die letztjährige Polymanga 50’300 Besucherinnen und Besucher.
Die Nachfrage steigt
Warum faszinieren Animes und Mangas die Jungen? Was unterscheidet sie von Comics? Mangas sind gezeichnete Bücher, Animes sind Zeichentrickserien und -filme. Was sie verbindet, ist ihre Herkunft: Animes und Mangas haben ihren Ursprung in Japan, wo schon im achten Jahrhundert Tiere gezeichnet wurden, die sich wie Menschen verhielten.
Wieso die asiatischen Comics jetzt auch im Westen begehrt sind, erklärt uns Dominik Humbel (28) vom Manga- und Anime-Geschäft Zuriko in Zürich. «Der Grund liegt in der Geschichte», sagt er. «Die Handlungen sind vielseitig und mit sehr viel Emotionen gespickt, das unterscheidet sie von westlichen Storys.» Durch dieses breite Repertoire können Mangas und Animes auch ein grösseres Publikum ansprechen. «Unsere Kunden sind sehr durchmischt», erzählt Humbel. «Von zehnjährigen Teenagern bis zu den über 30-jährigen Erwachsenen ist alles dabei.» Wie bei herkömmlichen Büchern gibt es Fantasy, Science Fiction, Horror, Romanzen, Sport und sogar Mangas, bei denen es nur ums Essen geht. Die steigende Nachfrage nach den japanischen Comics spüren auch Händler wie Orell Füssli. Sie bestätigen, dass die Verkaufszahlen zwischen 2021 und 2022 um 15 Prozent gewachsen sind.
Die Faszination für die japanischen Unterhaltungsmedien versteht auch Marcel Gamma (22). Gemeinsam mit Catiana Weiss studiert der Urner Game Design in Zürich. Was hat ihn so in den Bann der Mangas gezogen? «Die Geschichten sind sehr emotional geschrieben, und sie schaffen es, die Gefühle mit wenigen Pinselstrichen darzustellen», sagt er. Zudem ist er fasziniert von der japanischen Zeichensprache: Mangas werden nämlich traditionell von hinten nach vorne gelesen, und gewisse folgen dem japanischen Zeichensatz – von oben nach unten. Mittlerweile gibt es auch viele Mangas, die angepasst wurden und nun der westlichen Satzstellung folgen. Also von links nach rechts. Angefangen, Mangas zu lesen, hat er mit zwölf. Mittlerweile hat er auch seine beiden Schwestern mit dem Manga-Fieber angesteckt, und die drei Geschwister teilen eine Sammlung mit über tausend Büchern.
Vorfreude herrscht
Mangas hat auch Catiana Weiss. Sie hat von ihrer Lieblings-Manga-Protagonistin ein Cosplay gemacht. Fan ist sie ausserdem von der Serie «Violet Evergarden», die nach der Protagonistin benannt ist. «Ich mag generell lieber die traurigen, emotionalen Geschichten», erzählt Weiss. In der Serie geht es um ein Mädchen, das aus dem Krieg zurückkehrt und sich in der Gesellschaft wieder einleben muss. Ihr diesjähriges Kostüm ist aber ein anderes. «Dieses Jahr gehe ich als Neeko, vom Videospiel ‹League of Legends›», sagt Weiss. Auch Marcel Gamma wird ein Cosplay machen – zum ersten Mal. Als Akutagawa Ryunosuke aus einer Spin-off-Serie der «Bungo Stray Dogs»-Manga-Reihe wird er an die Polymanga gehen. Das Cosplay zeigen will er noch nicht. «Es ist noch nicht ganz fertig», sagt er. Bis Ostern hat er ja noch eine Woche Zeit.