VWs Volkskombi im ersten Test
Neuer Passat greift die Oberklasse an

Mit der neunten Generation des Passat greift VW die Oberklassemodelle der deutschen Premiumhersteller an. Der Volkskombi wird grösser, moderner und sparsamer – aber auch teurer als je zuvor. Blick ging schon auf Probefahrt.
Publiziert: 08.03.2024 um 00:08 Uhr
1/24
VW fährt die Neuauflage des Passat vor. In neunter Generation streckt der Volkskombi die Fühler Richtung Oberklasse aus.
Foto: zVg
RMS_Portrait_AUTOR_929.JPG
Andreas EngelRedaktor Auto & Mobilität

Der Passat ist VWs Dauerläufer: Keine andere PW-Baureihe ist länger im Programm – seit 1973 ununterbrochene 51 Jahre. Da kommt selbst der ein Jahr später eingeführte Golf nicht ran. Und auch bei den Verkäufen muss sich der Passat mit weltweit 34 Millionen Stück nicht vor seinem kleinen Bruder verstecken – der Golf rollte seit seinem Start vor 50 Jahren rund 37 Millionen Mal aus den VW-Garagen (auch interessant: Die meistverkauften Autos der Geschichte). Jetzt startet die komplett neue, neunte Generation – und mit ihr wagt VW den Angriff auf die Oberklasse. Im Visier: Businesskombis à la Audi A6, BMW 5er oder Mercedes E-Klasse.

Echter Raumriese

Dafür legt der Passat, der nur noch als Kombi vorfährt, in der Länge schon mal eine ganze Klasse drauf und streckt sich neu auf 4,92 Meter – 15 Zentimeter mehr als der Vorgänger. Da der Radstand aber gleichzeitig nur um fünf Zentimeter verlängert wurde, wirkt besonders der hintere Überhang für unseren Geschmack etwas zu gross. Was die neue Grösse aber definitiv schafft, ist Platz: 690 bis 1920 Liter (Vorgänger: 650–1780 l) sinds bei den Verbrennern, bei den Plug-in-Versionen etwas schmalere 510 bis 1770 Liter. Auch im Fond wird der Passat zum echten Raumriesen, in dem selbst grosse Passagiere die Beine übereinanderschlagen können.

Weiter gehts ins Cockpit. Die schon aus dem neuen Tiguan (hier gehts zum Fahrbericht) bekannte Bildschirmlandschaft hält auch im Passat Einzug: In der Mitte thront ein 12,9-Zoll-Touchscreen, der optional auf stattliche 15 Zoll wächst. Der Fahrer blickt auf Digitalinstrumente und endlich auf ein «richtiges» Head-up-Display mit Projektion in die Frontscheibe – beim Vorgänger fuhr noch eine kleine Plastikscheibe hinterm Lenkrad aus. VWs Sprachassistent IDA kann jetzt auch komplexe Befehle verstehen und wird ab Sommer gar KI-unterstützt durch ChatGPT. Für Oberklassegefühle sorgen die belüft- und beheizbaren Massagesitze.

Sänfte in Autogestalt

Das höchste der Antriebsgefühle ist das neue Plug-in-Hybrid-System, das in zwei Leistungsstufen (204/272 PS) angeboten wird. Wir schnappen uns das Topmodell, bei dem ein 1,5-Liter-Benziner (177 PS) mit einem E-Motor (85 kW/115 PS) im 6-Gang-DSG kombiniert wird. Erster Eindruck? Oberklasse! Der neue Passat ist die Sänfte in Autogestalt, fährt geschmeidig und verzögerungsfrei an und hält sein äusserst tiefes Geräuschniveau selbst dann noch, wenn der TSI den rund zwei Tonnen schweren Kombi mit anschiebt. Einziger Nachteil des PHEV: Die üppige Leistung wird nur auf die Vorderräder übertragen – 4x4 gibts beim Teilzeitstromer nicht. Dafür bis zu 100 Kilometer rein elektrische Fahrt – fast doppelt so viel wie der Vorgänger. Und ist die 19,7-kWh-Batterie leer, kann am DC-Schnelllader mit 50 kW in etwas mehr als 20 Minuten wieder bis 80 Prozent geladen werden. So lohnt sich E-Zapfen gar auf langen Strecken. Zu Hause wird neu mit bis zu 11 kW in dann unter drei Stunden nachgeladen.

Zurück auf die Strasse: Das neue Adaptivfahrwerk DCC Pro, von dem wir schon im Tiguan geschwärmt haben, verrichtet auch im Passat einen exzellenten Job. Es gleicht selbst die löchrigen Landstrassen rund um Nizza (F) perfekt aus, ohne dabei unangenehm nachzuwippen und wird auf der Autobahn von der ganzen Bandbreite an VWs neuesten Assistenzsystemen unterstützt. Kurzum: Der Passat hat den Titel «Langstreckengleiter» mehr als verdient.

Auch die Preise wachsen

Der Verkaufsstart des neuen Passat ist bereits erfolgt. Aktuell gibts den Reisekombi allerdings lediglich als Mildhybrid-Benziner 1.5 eTSI sowie als Diesel 2.0 TDI mit jeweils 150 PS (110 kW), 7-Gang-DSG und Frontantrieb. Beide hinterliessen im ersten Test einen souveränen Eindruck, wobei besonders der eTSI bei höheren Autobahntempi spürbar Mühe hat, den grossen Kombi standesgemäss voranzutreiben. Dafür glänzte der Mildhybridantrieb auch auf der Testrunde mit Verbräuchen nur knapp oberhalb der Norm von 5,8 l/100 km.

Wer mehr Leistung und vor allem Allradantrieb haben möchte, muss sich noch bis April gedulden: Dann startet der Passat sowohl als Zweiliter-TSI mit 265 PS (195 kW) als auch als Zweiliter-TDI mit 193 PS (142 kW). Auch die beiden Plug-ins folgen im Frühling. Auf den Preisschildern dürften die jetzigen Startpreise von 48'700 (eTSI) bzw. 52'300 Franken (TDI) bei den stärkeren Versionen aber nochmals deutlich nach oben klettern. Insbesondere, wenn die Kundschaft noch Oberklasse-Extras wie die erwähnten Massagesitze, Riesen-Panoramadach oder HD-Matrix-LED-Scheinwerfer dazu ordert, dürften die Preise schnell Richtung 70'000 Franken emporschiessen. Doch in dieser Region gehen Audi A6, BMW 5er oder Mercedes E-Klasse gerade erst los.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?