Bisher hat er die Brötchen verdient, jetzt soll er die Marke in die Zukunft führen: der Ford F-150. Seit diesem Jahr bietet Ford das meistverkaufte Auto der USA auch als Elektroversion Lightning an. Und der scheint die V8- und V6-verliebten Amerikaner wirklich für die Elektromobilität begeistern zu können. Die Amis stehen Schlange und Ford musste die Produktionskapazitäten ausbauen.
Bisher wird der F-150 Lightning seinem Ruf als wichtigster Ford seit dem legendären T-Modell gerecht. Mit diesem hatte der US-Hersteller die Autoproduktion revolutioniert. Der Lightning soll nun Fords Zukunft sichern. Auch als Stromer verfügt der Pick-up über Allradantrieb. Zwei Elektromotoren leisten zusammen 452 PS (337 kW) oder 580 PS (427 kW) und in beiden Fällen ein maximales Drehmoment von 1050 Nm! Es gibt zwei Akku-Grössen mit Netto 98 oder 131 Kilowattstunden (kWh) Kapazität. Sie ermöglichen 386 oder 515 Kilometer Reichweite nach der amerikanischen EPA-Norm. Die ist zwar oft tiefer als die europäische WLTP-Reichweite, dafür realitätsnäher.
Leiser Riese
Solche Reichweiten würden den F-150 Lightning auch für Europa interessant machen. Nur, passt der sogenannten Fullsize-Pick-up auch auf unsere Strassen? Wir wagen uns ans Steuer und fahren mit dem fast sechs Meter langen und mit Aussenspiegeln 2,40 Meter breiten Riesenstromer durch die Region des österreichischen Skiortes Kitzbühel.
Schon die ersten Meter sind eindrücklich. Um fast drei Tonnen Leergewicht in Bewegung zu bringen, jaulen sonst V8-Benziner oder V6-Diesel angestrengt auf, bevor der Koloss langsam und behäbig losrollt. Der Lightning dagegen gleitet geräuschlos und geradezu lässig vom Parkplatz. Noch nie liessen sich drei Tonnen so spielerisch bewegen. An der ersten Kreuzung ist Feingefühl gefragt, damit das irre Drehmoment den Koloss nicht gleich in die gegenüberliegende Hausmauer katapultiert.
Aber das kennen wir schon von anderen Elektroautos und die Power des F-150 lässt sich leicht kontrollieren. Der E-Antrieb tut dem Koloss gut. Er fährt sich so leichtfüssig wie ein Focus und lenkt sich auch so leicht. Wenn wir wegen der Länge nicht später einlenken müssten, würden wir beinahe vergessen, dass wir in einem Pick-up von der Grösse eines Lieferwagens sitzen.
Mit den 1050 Nm beschleunigt der Lightning in 4,5 Sekunden auf Tempo 100 – irre für 2948 Kilogramm Leergewicht! Aber auch der F-150 muss sich der Physik beugen und erst die Trägheit überwinden. Deshalb gibts bei der Beschleunigung nicht diesen Schlag wie beispielsweise beim Tesla Model S oder dem Porsche Taycan. Dafür müssen die Beifahrer kein Schleudertrauma befürchten.
Bis zu 4,5 Tonnen Anhängelast
Auch bei der Nutzlast zahlt der Lightning einen kleinen Tribut an die 726 Kilogramm schwere 131-kWh-Batterie. So kann der Elektro-F-150 nur 885 Kilogramm laden, was in der Liga eher knapp ist. Mit dem kleinen Akku kommt er zwar auf 1014 Kilogramm, doch die Verbrenner-F-150 packen deutlich mehr als eine Tonne auf die Ladefläche. Dafür hat der Lightning 400 Liter zusätzlichen Laderaum unter der Fronthaube und kann erst noch Elektrogeräte mit Strom versorgen. Sonst bleibts aber bei den Stärken, die Pick-ups auszeichnet – wie beispielsweise einer Anhängelast von 3,5 Tonnen, die sich mit einem optionalen Technikpaket gar auf 4,5 Tonnen erhöhen lässt.
Den Lightning gibts nur mit der Doppelkabine, womit er eine geräumige zweite Sitzreihe bietet. Der Fahrer schaut auf digitale Instrumente und der riesige Zentral-Bildschirm erinnert an den Mustang Mach-E. Aber die Herkunft als «Büetzer» lässt sich in Form von viel Hartplastik im Innenraum nicht verheimlichen. Vorerst muss sich Ford die Frage nicht stellen, ob die Europäer bereit sind, umgerechnet rund 90'000 Franken für die von uns gefahrene Topversion zu bezahlen. Denn der F-150 Lightning kommt nicht offiziell über den Atlantik. Die Nachfrage in den USA ist zu gross, um an andere Märkte zu denken. Da dürfte Ford noch vorher die Technik skalieren und die bei uns angebotenen, kompakteren Ranger und Bronco als Stromer lancieren.