«I glab, dir brennt da Huat!» Was auf Bayrisch so viel wie «Ich glaube, du spinnst» bedeutet, fragen wir uns im ersten Moment ebenfalls, als wir BMWs Einladung zur Testfahrt mit dem neuen iX5 Hydrogen erhalten. Ausgerechnet jetzt ein Fahrzeug lancieren, das mit Wasserstoff (H₂, engl.: Hydrogen) betrieben wird? In Zeiten, in denen fast jeder Hersteller ausschliesslich über Elektroautos redet?
Selbst BMW-Boss Oliver Zipse (59) gibt zu, dass der Markt für Wasserstofffahrzeuge nie so gross wird wie für batterieelektrische. Aber er verweist auch auf das Potenzial von Wasserstoff für den Mobilitätssektor und darauf, dass es einst durchaus Bedarf für diesen Antrieb geben könnte – auch wenn sein Wirkungsgrad schlechter ist als bei Batterie-Stromern. Bei grossen Fahrzeugen etwa, die durch Batterien schlicht zu schwer würden. Oder bei Kunden, die keinen Zugang zu Ladeinfrastruktur hätten.
Pilotflotte mit 100 Fahrzeugen
«Wasserstoff wird bei der Energiewende und damit beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle spielen», ist Zipse wie viele Experten überzeugt. Deshalb wolle man bei BMW optimal auf die Zukunft vorbereitet sein und sich alle technologischen Möglichkeiten offenhalten: «Wasserstoff ist das fehlende Puzzleteil für emissionsfreie Mobilität. Denn eine einzige Technologie wird nicht ausreichen, um klimaneutrale Mobilität weltweit zu ermöglichen.»
Bis allerdings Serien-BMWs mit Wasserstoffantrieb vom Band laufen, dürfte es wohl noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern. Aktuell macht ein Serieneinsatz keinen Sinn – die Technologie ist noch zu teuer, und grün, also umweltfreundlich aus Naturstrom, produzierter Wasserstoff genauso Mangelware wie H₂-Tankstellen (siehe Box). Deshalb wolle man vorerst mit einer Pilotflotte von knapp 100 Fahrzeugen mehr Erfahrungen sammeln und die iX5 für Demonstrations- und Erprobungszwecke einsetzen.
Nur zwei Modelle mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb sind aktuell auf dem Schweizer Markt erhältlich: der Toyota Mirai und der Hyundai Nexo. Bestseller sind sie keine: Toyota verkaufte 2022 von seiner Limousine Mirai (ab 62'900 Franken) 46 Stück; Hyundai vom SUV Nexo (ab 89'900 Fr.) lediglich 26. Neben dem noch immer recht hohen Preis hakts vor allem bei der Tankstellen-Infrastruktur. In der Schweiz gibts derzeit von Genfer- bis Bodensee 13 H₂-Tankstellen – in der gesamten Südostschweiz nur eine, im Wallis und im Tessin keine einzige. In Europa siehts nicht besser aus: Auf BMWs Heimatmarkt Deutschland existieren aktuell etwa 100 Tankstellen, europaweit knapp 200. Weltweit liegen China (250), Japan (161) und Südkorea (141) bei den H₂-Tankstellen vorn, in Nordamerika existieren nur 79.
Nur zwei Modelle mit Wasserstoff-Brennstoffzellen-Antrieb sind aktuell auf dem Schweizer Markt erhältlich: der Toyota Mirai und der Hyundai Nexo. Bestseller sind sie keine: Toyota verkaufte 2022 von seiner Limousine Mirai (ab 62'900 Franken) 46 Stück; Hyundai vom SUV Nexo (ab 89'900 Fr.) lediglich 26. Neben dem noch immer recht hohen Preis hakts vor allem bei der Tankstellen-Infrastruktur. In der Schweiz gibts derzeit von Genfer- bis Bodensee 13 H₂-Tankstellen – in der gesamten Südostschweiz nur eine, im Wallis und im Tessin keine einzige. In Europa siehts nicht besser aus: Auf BMWs Heimatmarkt Deutschland existieren aktuell etwa 100 Tankstellen, europaweit knapp 200. Weltweit liegen China (250), Japan (161) und Südkorea (141) bei den H₂-Tankstellen vorn, in Nordamerika existieren nur 79.
Kernstück Brennstoffzelle
Jedes Auto der Flotte wird dabei als Einzelstück weitgehend von Hand zusammengeschraubt. Als Basis dienen gewöhnliche X5 aus BMWs US-Werk in Spartanburg, die fertig montiert in BMWs Wasserstoffzentrum in München geliefert werden. Dort werden sie teils wieder demontiert und mit den H₂-Antrieben ausgerüstet.
Kernstück ist der sogenannte Brennstoffzellen-Stack: Dieser besteht aus einzelnen Brennstoffzellen von Kooperationspartner Toyota, die unter hohem Druck zu einem Stapel gepresst werden. In diesem Stack – dem leistungsstärksten der Industrie – wird der Wasserstoff aus den Karbon-Hochdrucktanks in elektrische Energie umgewandelt, die für den Antrieb des Elektromotors an der Hinterachse genutzt werden. Im Prinzip ist der iX5 ein E-Auto mit H₂-Tank statt grosser Batterie. Als «Abgas» fallen auf 100 Kilometer lediglich 10 Liter Wasser an, die als Dampf während der Fahrt abgelassen werden.
Flüsterleise mit 400 PS
Logisch fährt sich der iX5 auch wie ein E-Auto: Wir drücken den Startknopf im Cockpit, das – abgesehen von einigen blauen Zierelementen – identisch zum normalen X5 ist. Flüsterleise rollt der 2460 Kilogramm schwere SUV (50 kg leichter als der X5-Plug-in-Hybrid) los. Erstaunlich, wie leichtfüssig sich der iX5 anfühlt, besonders, wenn man die volle Leistung des Systems fordert. Dann nämlich werden die permanent abrufbaren 125 Kilowatt (kW) aus dem Brennstoffzellenstapel von weiteren 170 kW aus der kleinen Lithium-Ionen-Pufferbatterie ergänzt, in die auch beim Bremsen rekuperiert wird.
Theoretisch kommen so 295 kW, rund 400 PS, und maximal 710 Nm Drehmoment zusammen. Praktisch bedeutet das kurz scharrende Hinterräder beim Ampelstart und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in weniger als sechs Sekunden. Auf deutschen Autobahnen schafft der iX5 über 180 km/h Spitze. So druckvoll der SUV davonzieht, so souverän bügelt er Unebenheiten der teils löchrigen Strassen rund um Belgiens Metropole Antwerpen aus. Im dortigen Hafen, dem nach Rotterdam (NL) zweitgrössten Europas, können wir dann erleben, was passiert, wenn die sechs Kilo Wasserstoff aus den beiden 700-bar-Drucktanks im Unterboden aufgebraucht sind – laut BMW nach maximal 504 Kilometern. An der auch von Schiffen genutzten H₂-Tankstelle dauerts nur knapp drei Minuten, bis der iX5 vollgetankt zur Weiterfahrt bereitsteht.
BMWs Wasserstoff-Zukunft
Vorerst handelt es sich beim iX5 Hydrogen lediglich um ein Entwicklungsfahrzeug, mit dem nur ausgewählte Testpersonen in Berührung kommen. Doch die Technik scheint im Gegensatz zu früheren Projekten wie dem 5er GT Hydrogen von 2015 marktreif zu sein. Noch sei die Nachfrage nach Wasserstoffautos zu gering und die Kosten für eine Serienproduktion zu hoch. Doch auch wenn BMW die Elektromobilität mit Batterieautos vehement als oberste Priorität bezeichnet, hat der Wasserstoffantrieb gute Chancen, einst in Serien-BMWs verbaut zu werden: Die 2025 startende «Neue Klasse» – BMWs technologisches und finanzielles Jahrhundertprojekt – soll neben dem Elektroantrieb auch Platz für einen Wasserstoffantrieb bieten.