Schweizer Neuwagen im PS-Wahn
Verderben zu viele PS bei E-Autos die Reichweite?

Schweizer Neuwagen werden immer stärker: Jetzt kratzen sie im Schnitt an der 200-PS-Grenze. Ein Grund ist die PS-Wucherei der Elektroautos. Blick erklärt den Trend, wieso er nun stagniert – und warum Elektro-PS kaum der Elektro-Reichweite schaden.
Publiziert: 27.08.2022 um 11:03 Uhr
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Aktualisiert: 27.08.2022 um 12:58 Uhr
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Leistungstaumel: Schweizer Neuwagen werden im Schnitt immer stärker. Von 1993 bis 2013 war die durchschnittliche PS-Zahl ...
Foto: GM
Timothy Pfannkuchen

Traditionell ist die Schweiz in Europa das Land mit dem höchsten PS-Schnitt bei Neuwagen. Noch 1993 war der durchschnittliche Schweizer Neuwagen 140 PS stark, 20 Jahre später nur 13 PS stärker. Seither dreht sich die Leistungsspirale schneller: 2015 waren es 160 PS, 2018 laut Importeurs-Vereinigung Auto-Schweiz schon 179 PS, im Jahr darauf 188 PS und 2020 dann bereits 199 PS.

Warum? Der SUV-Boom bringt Gewicht, also brauchts Power. Selbst Kleinwagen haben Turbos – was spart, aber PS bringt. Vor 30 Jahren war ein Auto mit 500 PS unfahrbar und Dauergast an der Tankstelle. Heute gibts Elektronik und sehr effiziente Motoren: In den letzten 20 Jahren ist der Schnitt trotz viel mehr PS von 8,3 auf 5,7 l/100 km gesunken. Aber vor allem schlägt wohl der Boom der E-Autos zu Buche. Dort sind es oft 300, 400, künftig auch mal 800 oder gar 1000 elektrische Pferde.

Power ungleich Reichweite

Auf Kosten der Reichweite? Mitnichten. «Mehr PS gleich mehr Verbrauch» stimmt bei Stromern nicht mehr. E-Motoren sind teils über dreimal wirkeffizienter. Ein Verbrenner muss Brennräume füllen, Reibung überwinden, Energie als Wärme verpuffen – und zwar immer. Ein E-Motor bezieht nur genau den Strom, den er gerade benötigt. Oder anders gesagt: Der V8 ist auch ein V8, wenn man nur 40 seiner 400 PS nutzt. Aber der E-Motor schrumpft dann quasi von 400 auf 40 PS. Beispiel Porsche Taycan mit 4x4 und gleichem Akku: Von Basis zum Top-Typ sind es hier zwar satte 231 PS, aber nur 20 Kilometer Reichweite an Differenz.

Sicher, tendenziell benötigt ein E-Motor mit mehr PS mehr «Saft», weil man die Leistung gerne mal nutzt. Wichtiger sind hier aber Aerodynamik, Rollwiderstand und Rekuperation. Und Elektro-PS sind günstiger als Benzin-PS zu bauen. Geht es also weiter, bis alle 1000 PS haben? Nein: Je mehr Stromer starten, je weniger steigen im Schnitt deren PS-Zahlen – sie sinken laut Auto-Schweiz sogar: Hatte ein neues E-Auto 2019 noch 325 PS, waren es 2020 «nur» 292 PS und 2021 bis Juni 269 PS.

Der Akku ist die Krux

Also doch für mehr Reichweite? Nein, für tiefere Preise. Ein Benziner mit 400 PS hat 400 PS, auch wenn er nur einen Liter tankt. Ein Stromer hat nur 400 PS, wenn der Akku 400 PS befeuern kann. Ein leistungsfähigerer Akku kostet, wiegt und braucht Platz. Deshalb halten sich, seit die E-Mobilität zunehmend von der Edel- in die Breitenliga kommt, viele neue Modelle nun zurück – denn sie wollen günstige Alltagsmobilität sein und wirken eh flotter als gleich starke Verbrenner.

Nebenher müssen Verbrenner ihre Verbräuche weiter senken und werden daher weniger an Leistung zulegen. Möglich, dass der PS-Schnitt deshalb bald generell sinkt: Im ersten Halbjahr 2021 stagnierte er mit 199 PS auf dem 2020er-Schnitt.

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