Peugeots neue Strategie
Lichterglanz statt Chromgefunkel

Peugeot-CEO Linda Jackson stellt die Weichen in die Zukunft: Bis 2038 soll der Autobauer rundum CO₂-neutral sein. Beim Umbau macht sie nicht einmal vor den traditionellen Zierleisten ihrer Autos halt.
Publiziert: 30.01.2023 um 17:41 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2023 um 16:40 Uhr
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Peugeot will bis 2038 zur grünen Marke werden und ab diesem Zeitpunkt vollständig CO₂-neutral unterwegs sein.
Foto: Chris Noltekuhlmann
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Noch wirkt die Zukunft etwas langweilig. Überall nackter Beton, dazu Treppen, die ins Leere führen. Allein der grosse Monitor sorgt für etwas Leben in Peugeots virtueller Welt, die künftig Schauplatz für alle Ankündigungen der Stellantis-Marke sein soll. Hier informiert CEO Linda Jackson (64), wohin sie den französischen Autobauer steuern will.

Man scheint diese Insel mitten im Meer auch nicht verlassen zu können. Der Weg in die Elektromobilität gilt für die Peugeot-Mutter Stellantis als alternativlos. Laut Konzernchef Carlos Tavares (64) ist sie klimapolitisch von den Regierungen in ganz Europa gewollt. Dem müsse sich die Autoindustrie unterordnen. Weil Lobby-Verbände wie der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) oder die Vereinigung der europäischen Autohersteller ACEA weiterhin gegen das geplante Verbrennerverbot der Europäischen Union (EU) opponieren, trat Tavares mit seinem Konzern kurzerhand aus dem ACEA aus: Dort zu diskutieren, mache für ihn keinen Sinn. Wichtiger sei es, bei der potenziellen Kundschaft deren Erwartungen abzufragen, um den Umstieg aufs Elektroauto so problemlos wie möglich zu machen. Doch auch Tavares wirbt immer wieder bei der EU für Protektionismus gegenüber der chinesischen Konkurrenz: Sie geniesse unbegrenzten Zugang zu Europa, während hiesige Marken in China mit Regularien gegängelt würden. Tavares fehlen die gleich langen Spiesse beim Umbau der Auto-Mobilität.

Elektrisch bis 2030

Derzeit scheint Peugeot beim Wandel den Lead bei Stellantis zu haben. Bis 2025 will die Marke jedes Modell auch in einer Elektroversion anbieten, schon 2030 soll jeder verkaufte Peugeot in Europa rein elektrisch angetrieben sein. In den kommenden zwei Jahren werden allein fünf neue Elektromodelle lanciert: Die bereits erhältlichen Kompaktmodelle 308 als Schrägheck und Kombiversion und das SUV-Coupé 408 kommen auch als Elektro-Varianten. Im zweiten Halbjahr 2023 werden dann neue Generationen der SUVs 3008 und 5008 vorgestellt. Als erste Stromer von Peugeot stehen sie auf einer komplett neuen Elektroplattform, die auch die übrigen Stellantis-Marken wie Citroën, DS, Fiat oder Jeep kostensparend nutzen werden. Sie soll drei Antriebskonfigurationen inklusive Allrad und bis zu 700 Kilometer Reichweite bieten. Um die Lieferketten kurzzuhalten, werden die nötigen Batterien komplett in Frankreich und im deutschen Kaiserslautern gefertigt. Die neuen 3008 und 5008 werden nur noch ausserhalb Europas mit Verbrennern angeboten.

In Reinform spielen diese schon ab Ende des Jahres keine Rolle mehr in Europa: Zum Diesel verliert Jackson vielsagend kein Wort. Und die noch verbliebenen Benziner im Programm mit 100 oder 130 PS werden bis Ende Jahr in allen Modellen elektrifiziert. Im Automatikgetriebe steckt dann ein zusätzlicher E-Motor von 28 PS Leistung mit preisgünstig zu realisierender Bordspannung von 48 Volt. Er schiebt mit an, rekuperiert Energie beim Bremsen, soll knapp einen Kilometer elektrischen Fahrens beim Parkieren oder Rangieren zulassen und so den Verbrauch um 15 Prozent reduzieren.

Revolution im Innenraum

Das Design der kommenden neuen Modelle wird sich am Inception Concept orientieren, einer Studie, die Peugeot an der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas (USA) Anfang Januar enthüllt hatte. «Sie steht nicht nur für ein Modell, sondern für eine ganze Modellgeneration», sagt Jackson. Dabei sieht sie ein Abflachen des SUV-Booms und plant entsprechend wieder mit mehr Schrägheck- und Limousinen-Karosserien.

Den grössten Schritt nach vorne sollen aber die Interieurs gehen. Mit dem Wegfall der Verbrenner gäbe es laut Jackson mehr Platz für den Innenraum. Und die sogenannte Drive-by-Wire-Technologie, also eine rein elektronische Steuerung von Lenkung, Gas und Bremse ohne Mechanik, biete die Möglichkeit, die Bedienung des Autos ab 2026 komplett zu revolutionieren: Tasten und Regler werden reduziert, das Gehirn des Autos liegt künftig in einer Datencloud und künstliche Intelligenz soll das Verhalten des Fahrers vorhersehen und das Cockpit entsprechend reagieren lassen. Bei der Entwicklung kooperiert Peugeot mit Amazon und dem chinesischen Unternehmen Foxconn, dem grössten Elektronik-Hersteller der Welt.

Rohstoffe im Kreislauf

Und schliesslich soll die komplette Produktionskette auf höhere Anteile an Recycling-Material und eine Kreislaufwirtschaft umgestellt werden. Mit 80 Prozent Recyclingmaterial liesse sich der CO₂-Ausstoss je Auto auf die Lebensdauer gesehen um die Hälfte reduzieren. Immerhin 40 Prozent wiederverwertbare Rohstoffe sollen bis 2040 in den Autos stecken. Dennoch soll schon 2038 das komplette Unternehmen Peugeot CO₂-neutral unterwegs sein.

Jackson schaut dabei alles an: Statt umwelt- und gesundheitsschädlich produziertem Chromglanz sollen künftig LED-Lichtleisten die Autos funkeln lassen. Dünnere Sitze sollen ebenso Material und Energie einsparen wie Felgen aus wiederverwertetem Aluminium. Weil Elektroautos dank geringerem Verschleiss rund 25 Jahre halten im Gegensatz zu den 15 Jahren eines Verbrenner-Modells, ist für Jackson auch das Occasionenproblem gelöst: Gebrauchtwagen liessen sich künftig einfach zu neuwertigen Autos aufarbeiten – zumal vieles sowieso auf updatebarer Software beruhe. Ist ein Fahrzeug strukturell dann wirklich am Ende, fliessen seine Rohstoffe in den Produktionskreislauf zurück: «Autos erhalten so ein ewiges Leben», schwärmt Jackson.

Abo statt Kauf

Bis 2030 sollen für den Umbau des gesamten Konzerns im Hinblick auf CO₂-Neutralität rund 30 Milliarden Franken ausgegeben werden. Im klassischen Autoverkauf dürfte Peugeot damit wohl um höhere Preise nicht herumkommen. Weshalb Jackson neue Vertriebsmodelle plant wie das Konzept «As You Go»: In Frankreich können Kundinnen bereits für 150 Euro monatlich einen elektrischen e-208 für maximal 500 Kilometer nutzen – Mehrkilometer werden separat abgerechnet. Auch Abo-Modelle inklusive Strom sollen bei Peugeot dafür sorgen, dass Autos trotz teuren batterieelektrischen Antrieben weiter erschwinglich bleiben. Aber: Für ein zahlbares Elektroauto unter dem aktuellen 208 sind laut Jackson die Fertigungskosten zu hoch.

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