Das Vereinigte Königreich liebt es nicht erst seit dem Brexit, eine Sonderrolle einzunehmen. Auf der britischen Insel rühmt man sich gerne, die Dinge etwas anders zu machen als die Kontinentaleuropäer. Diese Attitüde spiegelt sich auch im Aston Martin Valhalla wider. Der wirkt, als wäre er ein Schwestermodell zum Mega-Boliden One des Kooperationspartners Mercedes-AMG. Doch Corenn Lange widerspricht vehement: «Wir haben von AMG nur den Motorblock und die Kurbelwelle übernommen», erklärt die Aston-Martin-Managerin.
Als wenn das noch nicht Abgrenzung genug sei, legt Lange noch nach: «Wir wollen auf der Nürburgring-Nordschleife die Zeit des Mercedes-AMG One um fünf Sekunden unterbieten.» Lange traut sich was: Dann der AMG-Bolide hat gerade erst mit 6:35,183 Minuten einen neuen Rekord für Serienfahrzeuge auf der legendären Rennstrecken-Achterbahn in Deutschland aufgestellt. Mutig ist die Ansage auch, weil die Entwicklung von Aston Martins neuem Hypersportwagen mit Plug-in-Hybridantrieb noch nicht abgeschlossen ist. Die Kombination aus Verbrenner und zwei E-Maschinen befeuert den Valhalla mit mehr als 1000 PS (735 kW), lässt den 1,5 Tonnen schweren Allradler in 2,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h spurten und schiebt weiter an bis zur Spitze von 350 km/h. Zum Vergleich: Der AMG One bringt es auf 1063 PS (782 kW), er absolviert den Standardsprint in 2,9 Sekunden und bei 352 km/h endet der Vortrieb.
Nur Mercedes-Technik reicht nicht
Üppige 800 PS liefert der Vierliter-V8 mit zwei Turboladern, den es im Prinzip auch bei Mercedes gibt – allerdings mit weniger Leistung. Das Plus holen die Aston-Ingenieure unter anderem mit Luft- statt Wasserkühlung und einer ausgefeilten Thermik raus – dafür ist auch die Hutze auf dem Heck nötig. Weil es unter der flachen Aussenhülle sehr eng zugeht, sorgt das kleinste 8-Stufen-Automatikgetriebe der Welt für die Kraftübertragung.
Bei der Batterie setzt Aston Martin ebenfalls auf einen anderen Zulieferer als Mercedes. Die Akkupakete befinden sich für optimale Gewichtsverteilung an der Vorder- und Hinterachse. Pro Achse gibts je einen Elektromotor, die zusammen 212 PS (156 kW) beisteuern sollen. Rein elektrisch kommt der Hyper-Sportler so rund 15 Kilometer weit und ist bis zu 130 km/h schnell. Bloss ist das nicht der Sinn der Elektrifizierung: Stromern soll der Valhalla nur beim Rangieren und Ausparkieren. Viel mehr sollen die E-Maschinen beim Spurten und bei der Energie-Rückgewinnung helfen.
Formel-1-Technik im Serienauto
Vor allem in Fahrwerk und Aerodynamik steckt einiges an Formel-1-Technik. Der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg, der gerade Mick Schumacher für die kommende Saison aus seinem Cockpit beim Haas-Team verdrängt hat, halfen bei der Abstimmung, um den Valhalla so agil wie einen F1-Boliden zu machen. «Jede Form hat eine Funktion», verdeutlicht Lange das Konzept. Die stark nach innen gezogenen Schweller erinnern an die Seitenkästen der Formel-1-Renner. Der Fahrer liegt nahezu und die Pedalen sind etwas höher positioniert als die Hüfte des Fahrers im Sitz. Bei der ersten Sitzprobe haben wir uns in der Aston-Martin-Flunder dennoch auf Anhieb wohlgefühlt; auch der Einstieg klappt dank der Flügeltüren problemlos. Überraschend: Bei aller Optimierung auf irre Fahrleistungen gibts im Cockpit sogar zwei Bildschirme.
Die ersten Aston Martin Valhalla sollen 2024 ausgeliefert werden. Der Preis für den Hyper-Sportler beginnt ab 833'000 Euro – ein Viertel des Preises, der für Aston Martins Flaggschiff Valkyrie fällig wird. Den Preis drückt unter anderem das Scheibenwischer-System, das günstiger als die beim Valkyrie rund 17'000 Euro teuren Wischer sein soll. Trotzdem: Erst zwei Drittel des Valhalla-Kontingents sind verkauft.