Ein kleiner Konferenzsaal im noblen «Schweizerhof» am Zürcher Hauptbahnhof: Die Kaffeemaschine läuft auf Hochtouren, Mäppchen mit gedruckten Unterlagen liegen sauber aufgereiht auf dem wuchtigen Tisch. Roland Jung (63), Peter Koch (57) und Thomas Lützenrath (54) sind bestens gelaunt – kein Wunder: Sie wollen uns in der nächsten Stunde eine Revolution auf dem Batteriemarkt ankündigen.
Roland Jung wird den nur zehn interessierten Medienvertretern später sagen: «Von diesem Tag werden Sie einst Ihren Enkelkindern erzählen.» Mit Superlativen geizen Jung, Koch und Lützenrath heute nicht. Sie sind CEO, CFO und COO der neu gegründeten Swiss Clean Battery (SCB) aus Frauenfeld TG. Bis in zwei Jahren will das Trio im Thurgau eine Fabrik für Feststoff-Akkus auf die Beine stellen. Diese Art Akku, an der weltweit geforscht wird, soll Batterien nicht weniger als neu erfinden.
«Unsere Schweizer Gigafactory wäre die weltweit erste für reine Feststoff-Akkus und soll zu Beginn Batterien mit einer Kapazität von 1,2 Gigawattstunden pro Jahr produzieren», erklärt Roland Jung. «Später wollen wir die Kapazität auf 7,6 GWh pro Jahr erhöhen und über 1000 Mitarbeitende im Thurgau beschäftigen.»
Neue Ära der Akkutechnik
Jung und seinen Partnern ist klar, dass es für die Energiewende zu erneuerbaren Energien Stromspeicher braucht – in gigantischen Kapazitäten. Um den Strom etwa aus Wind- oder Solarenergie zwischenzuspeichern, schätzt SCB den Bedarf 2050 alleine für Deutschland auf rund 11,3 Terawattstunden. Aus ökologischer Sicht sei dies mit der heutigen Lithium-Ionen-Technologie nicht zu schaffen, heisst es. Diese benötige teils bei Verfügbarkeit wie Abbbaubedingungen kritische Rohstoffe wie Kobalt. Hinzu kämen Sicherheitsrisiken (Stichwort Feuer) und riesige Abfallberge bei der Entsorgung, weil heutige Akkus punkto Lebensdauer stark begrenzt seien.
Diese Probleme sollen Feststoff-Akkus von SCB lösen respektive der lizenzgebenden High Performance Battery AG (HPB) aus Teufen AR, welche diese Akkus in jahrelanger Grundlagenforschung entwickelt habe: Sie sollen nicht nur eine um bis zu 50 Prozent bessere Umweltbilanz aufweisen, kaum kritische Rohstoffe enthalten und unentflammbar und tiefenentladefest sein, sondern auch nahezu unendlich halten.
Wunderstoff bleibt geheim
Bei gewöhnlichen Lithium-Ionen-Akkus bilden sich Ablagerungen auf Anode und Kathode, die wachsen und die Leistung schmälern. Diese Deckschicht bilde sich im Feststoff-Akku nur beim ersten Laden und wachse danach nicht an. So bliebe die Kapazität weit über 100'000 Ladezyklen hinweg konstant, heisst es seitens SCB.
Statt des flüssigen Elektrolyts in normalen Akkus habe HPB einen Fest-Ionenleiter entwickelt, der «ähnlich Mehrkomponenten-Kleber in der Batteriezelle selbst» entstehe, wie Lützenrath, COO von SCB wie auch HPB, erläutert. Welcher Stoff die Batterie letztlich zum Wunderakku mache, das dürfe er aber nicht verraten. «Wir betreiben hier keine Raketenwissenschaft», meint Lützenrath nur. Und sowohl das Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) der Uni Duisburg-Essen (D) wie die Schweizer Empa seien mit eingebunden und validierten die Forschungsergebnisse.
Akkus als Pufferspeicher
SCB will sich ab 2024 auf die Produktion von Pufferspeichern für Private wie für die Industrie konzentrieren und die Feststoff-Akkus sowohl in der Schweiz als auch weltweit vertreiben. In Haushalten könnten sie als Stromspeicher für Photovoltaik dienen, im grösseren Stil im «Spülkasten-Prinzip» an Schnellladern (ähnlich der Idee bei Piëch): Laden viele Autos zugleich, würde das Netz so weniger belastet.
Die Technik sei aber auch sonst äusserst vielseitig, ob für Fahrzeuge, Elektronik-Geräte oder zur Netzstabilisierung. Ein echter Wunderakku aus dem beschaulichen Frauenfeld quasi. Zu schön, um wahr zu sein? In zwei Jahren wissen wir mehr.