Schön sieht anders aus. Nein, wir meinen nicht die gefällige Optik des neuen Luxus-Stromers EQS SUV – sondern seinen Namen. Mercedes hat schon allerlei Elektromodelle auf dem Markt. Aufsteigend nach Fahrzeugklasse sind dies die drei SUVs EQA, EQB und EQC sowie die beiden Limousinen EQE und EQS. Zwischen Limousinen und SUVs wie bei den Verbrennern (bspw. C-Klasse und GLC) wird bei den Stromern nicht unterschieden. Ergebnis: der unschöne, etwas plumpe Zusatz SUV.
Doch so unklar die Namensgebung, so klar der Zweck: Das 5,13 Meter lange und satte 2,8 Tonnen schwere Flaggschiff ist ein elektrischer Luxusliner, der mit seiner markigen Front und den kurzen Überhängen mehr Status und Souveränität ausdrückt als die Limousine. Obligatorisch ist die enge Verwandtschaft mit dem EQS durch die identische Plattform, die mit 3,21 Metern den gleichen Radstand aufweist und für angenehme Platzverhältnisse in der zweiten Reihe sorgt. Hier bietet der SUV gar einen entscheidenden Vorteil: Während die Kopffreiheit im Limousinen-Fond wegen des Akkupakets eingeschränkt ist, können sich im SUV auch hochgewachsene Passagiere nach Belieben nach oben strecken. Ausserdem ist im SUV auf Wunsch eine dritte Sitzreihe zu bekommen – der Komfort ist auf den beiden Zusatzplätzen allerdings überschaubar.
S-Klasse bietet mehr Luxus
Und so lang der EQS SUV auch ist – schaut man auf manchen Verbrenner-Wettbewerber, dürfte er gerne noch ein paar Zentimeter länger sein. Er bietet zwar viel Wohlfühlatmosphäre, ohne dabei jedoch an den Luxus einer S-Klasse oder eines GLS heranzukommen. So lassen sich die äusseren Rücksitze zwar elektrisch verstellen, wobei die Kopfstützen im Unterschied zur Limousine nur von Hand justiert werden können. Und auch praktische Elektrorollos an den Seitenfenstern fehlen. Ebenfalls seltsam: Die beiden Stühle der dritten Sitzreihe lassen sich klassenuntypisch nur manuell ausklappen – in dieser Liga sollte das elektrisch gehen. Immerhin packt der Kofferraum mit 565 bis 2100 Litern ordentlich was weg.
Kein Kurven-Koloss
Auch auf der Strasse kann der EQS SUV nicht komplett überzeugen: Das angenehme, fast geräuschlose Dahingleiten meistert er tadellos. Und dank Hinterachslenkung, die den Wendekreis auf mickrige elf Meter schrumpfen lässt, wirkt der Oberklassen-Stromer beim Wenden eher wie ein Kompaktwagen. Doch Kurvenpassagen sind für den Koloss nicht das optimale Terrain, was insbesondere an der fehlenden Wankstabilisierung liegt, die selbst optional nicht erhältlich ist.
Zum Marktstart im Dezember ist der Mercedes EQS SUV in der Schweiz mit zwei Antrieben zu bekommen. Die Einstiegsversion EQS 450+ mit 360 PS (265 kW) und 568 Nm, die allein über die Hinterachse angetrieben wird, fällt bei uns weg. Ohnehin würden sich die meisten Kunden wohl für den EQS 450 4Matic mit zusätzlich angetriebener Vorderachse entscheiden, der beim Drehmoment auf maximal 800 Nm zulegt. Er steht ab 145'200 Franken im Preisblatt.
Geradeaus der Wahnsinn
Spürbar bulliger im Anzug fährt sich der EQS 580 4Matic mit 544 PS (400 kW) und 858 Nm, der mit mindestens 181'200 Franken aber auch beim Preis eine mächtige Schippe drauflegt. Das Topmodell tut sich mit den mehr als 2,8 Tonnen deutlich leichter und schiebt so mächtig an, wie man es von einem solchen Modell erwartet. Aus dem Stand gehts in 4,6 Sekunden auf Tempo 100 – die Höchstgeschwindigkeit ist bei 210 km/h begrenzt. Das Drehmoment ist gewaltig, der Schub aus Kurven heraus oder ein Spurt auf gerader Strecke der Wahnsinn! Die Lenkung ist ebenso leichtgängig wie präzise, das Pedalgefühl der Bremse auf dem ersten Drittel jedoch schlapp. Macht aber nichts, denn je nach angewähltem Rekuperationsmodus bleibt das linke Pedal – ausser bei Gefahrensituation – nahezu unangetastet.
Mit der mächtigen 108-kWh-Batterie im Unterboden stromert der EQS SUV dank des tiefen Normverbrauchs von nur 20,5 kWh pro 100 Kilometer laut Mercedes rund 600 Kilometer weit, bis er an den Stecker muss. Dort saugt er mit maximal 210 kW am DC-Schnelllader, womit rund eine halbe Stunde vergeht, bis die Akkus wieder zu 80 Prozent gefüllt sind. Zu Hause mit 11 kW Wechselstrom dauert die Übung über elf Stunden.