Als ich vor rund zehn Jahren in den Auto-Journalismus einstieg, schienen selbstfahrende Roboterautos zum Greifen nahe: Die grossen Hersteller prognostizierten, dass bereits bis Ende des Jahrzehnts einsatzfähige Fahrzeuge auf dem Markt erhältlich sein würden. Darin könnten die Passagiere schlafen, arbeiten oder chillen, ohne sich um den Verkehr kümmern zu müssen. Ein Irrglaube, wie wir heute wissen.
Doch der Traum vom Robo-Auto rückt jetzt ein Stückchen näher: Soeben hat Mercedes den sogenannten Drive Pilot vorgestellt, bei dem der Fahrer nicht wie heute üblich die Hände permanent am Steuer haben muss, um jederzeit eingreifen zu können. Neu darf bei den Edel-Limousinen S-Klasse und EQS das Lenkrad tatsächlich komplett losgelassen werden, um legal die Nachrichten auf dem Smartphone zu checken oder ein Buch zur Hand zu nehmen – zwar nur im Stau bis 60 km/h, aber immerhin. Der neue Drive Pilot ist damit das erste offiziell zugelassene System für autonomes Fahren auf Level 3 (siehe Box) in Serienfahrzeugen.
Beim automatisierten Fahren unterscheidet man fünf Level:
Level 1 bezeichnet Fahren mit Assistenzsystemen wie Spurhalter oder adaptiver Tempomat. Diese Technik wird heute schon in vielen Kleinwagen angeboten.
Auf Level 2 agieren diese Systeme in eng definierten Situationen teilautomatisiert – im Stau bremst der adaptive Tempomat zum Beispiel zum Stillstand und fährt automatisch an, wenns vorne weitergeht. Auf diesem Stand sind heute schon viele Fahrzeuge.
Auf Level 3 steuert sich das Auto zeitweilig selbst, hält zum Beispiel Tempo und Spur auf der Autobahn. Wichtig bis zu diesem Level: Der Fahrer muss die Hände am Steuer haben und jederzeit eingreifen können.
Auf Level 4 fährt das Auto selbst, kann aber den Fahrer je nach Situation auffordern, wieder das Steuer zu übernehmen.
Erst auf Level 5 agiert das Auto vollautomatisiert – die Passagiere haben mangels Lenkrad und Pedalen keine Eingriffsmöglichkeiten.
Beim automatisierten Fahren unterscheidet man fünf Level:
Level 1 bezeichnet Fahren mit Assistenzsystemen wie Spurhalter oder adaptiver Tempomat. Diese Technik wird heute schon in vielen Kleinwagen angeboten.
Auf Level 2 agieren diese Systeme in eng definierten Situationen teilautomatisiert – im Stau bremst der adaptive Tempomat zum Beispiel zum Stillstand und fährt automatisch an, wenns vorne weitergeht. Auf diesem Stand sind heute schon viele Fahrzeuge.
Auf Level 3 steuert sich das Auto zeitweilig selbst, hält zum Beispiel Tempo und Spur auf der Autobahn. Wichtig bis zu diesem Level: Der Fahrer muss die Hände am Steuer haben und jederzeit eingreifen können.
Auf Level 4 fährt das Auto selbst, kann aber den Fahrer je nach Situation auffordern, wieder das Steuer zu übernehmen.
Erst auf Level 5 agiert das Auto vollautomatisiert – die Passagiere haben mangels Lenkrad und Pedalen keine Eingriffsmöglichkeiten.
Nur auf Autobahn bis 60 km/h
Und der Stau-Assistent funktioniert nicht bloss in der Theorie, sondern auch im realen Strassenverkehr, wie ich bei einem Test auf den chronisch verstopften Strassen Berlins selbst ausprobieren kann. Zusammen mit Mercedes-Entwicklerin Anna Kreidler mache ich mich auf «Stau-Jagd»: «Um den Drive Pilot aktivieren zu können, müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Wir müssen auf der Autobahn fahren und der stockende Verkehr darf nicht schneller als 60 km/h sein. Ausserdem dürfen wir uns nicht in einer Baustelle oder in Unterführungen und Tunnels befinden.»
Leichter gesagt als getan auf den maroden Strassen der deutschen Hauptstadt. Doch endlich: Weisses Licht an den beiden im Lenkrad integrierten Knöpfen signalisiert, dass der Drive Pilot bereit ist. Per Knopfdruck aktiviere ich das System. Mit dem nun grünen Licht zeigt der EQS: Ab jetzt fahre ich! Der Mercedes regelt Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann, der als Leitfahrzeug dient, hält die Spur und reagiert auch auf unerwartet auftretende Situationen wie zu nah an uns heranfahrende Autos auf der Nebenspur. Wie von Assistenzsystemen gewohnt, fährt der Drive Pilot übervorsichtig, hält stets sehr grosse Abstände und bremst hier und da unvermittelt, wo ein geübter Fahrer intuitiv früher auf der Bremse wäre. Doch das System funktioniert – und vermittelt schnell Vertrauen.
SMS schreiben ja, schlafen nein
Ich wende mich dem Infotainmentsystem zu, checke News auf blick.ch und kontrolliere Mails auf meinem Smartphone – alles legal mit dem Drive Pilot. Die Augen für ein Nickerchen schliessen oder den Kopf zu lange Richtung Rückbank wegdrehen, dürfe man allerdings nicht, erklärt Entwicklerin Kreidler: «Ansonsten bricht das System den autonomen Fahrvorgang ab.» Kurz vor der Autobahn-Ausfahrt blinken die Leuchten am Lenkrad rot – ab nun habe ich zehn Sekunden Zeit, die Bedienung des EQS zu übernehmen. Falls nicht, würde das Auto einen Nothalt einleiten.
Vorerst bleibt der Drive Pilot eine Option von S-Klasse und EQS und kostet 5000 bzw. 7430 Euro extra. Bis das System auch in Massenmodellen zum Einsatz kommt, dürfte es noch dauern. Warum, zeigt ein Blick unters Blech der Luxus-Limousinen: Die bisherigen Assistenzsysteme werden durch weitere Sensoren ergänzt, die das autonome Fahren auf Level 3 erst möglich machen. Neben Radar und Stereo-Kamera kommt neu ein Lidar-Sensor zur noch genaueren Umfelderkennung hinzu. Ultraschall- und Nässesensoren liefern zusätzliche Daten. Ergänzend greift das System auf eine HD-Karte zurück, mit welcher der Standort des Fahrzeugs zentimetergenau bestimmt werden kann.
Komplexe Rechtslage
Der Drive Pilot, der ab Mitte Mai auf deutschen Strassen eingesetzt werden darf (wann die Schweiz folgt, ist offen), ist zweifellos ein weiterer Schritt in Richtung autonomes Fahren. Der ultimative Durchbruch ist er aber nicht, sagt auch Mercedes-Chefentwickler Martin Hart: «Es wird keinen 'Big Bang' geben, und dann fahren wir alle autonom. Der Weg zum autonomen Auto wird Schritt für Schritt erfolgen». Ja, vielleicht habe man sich einst verschätzt, als man mit allzu euphorischen Prognosen an die Öffentlichkeit ging. «Neben den technischen Anforderungen ist auch die Rechtslage an autonome Autos äusserst komplex», erklärt Hart. «Bei der Entwicklung der Systeme arbeiten Ingenieure mit Juristen, Compliance-Managern, Datenschützern und Experten für Ethik fachübergreifend zusammen. Jedes noch so kleine Detail muss bedacht werden – technisch wie gesetzlich.»
Wann genau wir alle autonom fahren werden, wollen wir abschliessend wissen. «Auf der Autobahn sicher noch in diesem Jahrzehnt», ist sich Martin Hart sicher. Bis es allerdings im Robo-Auto durch den Stadtverkehr geht, könne man heute noch nicht sagen. «Das wäre dann definitiv ein Blick in die Glaskugel.»