Manche Früchte kann man erst spät ernten. Vor sechs Jahren wollte der chinesische Autobauer Chery mit dem SUV Exeed TX schon einmal die Grenzen Europas überschreiten. Daraus wurde dann nichts. Aber 2024 solls endlich so weit sein: Chery ist reif für den Start in Europa, mit neuer Strategie und gleich zwei Marken.
Den Auftakt macht Spanien im Januar, Deutschland folgt im Hochsommer und die Schweiz wohl kurz danach. Neustart in insgesamt 27 europäischen Ländern innert nur zwölf Monaten – diese Mammutaufgabe soll Jochen Tüting (49) stemmen. Nach 13 Jahren bei Ford heuerte der Deutsche schon 2013 bei Chery in China an und leitet seit 2018 die Europa-Dependance in Raunheim (D). «Wir passen hier im Entwicklungszentrum die Modelle auf europäischen Geschmack und hiesige Regularien an», sagt er.
Erst mit Sprit, dann elektrisch
Vor allem mit den Crashnormen hatten China-Kracher wie Landwind oder Brilliance einst Mühe: «Aber das ist längst vorbei.» Chinesische Normen würden sich kaum noch von den in Europa gültigen unterscheiden. Ausserdem berate der deutsche TÜV die Hersteller in China sogar vor Ort. «Unsere Autos erfüllen mit minimalen Anpassungen die Europa-Normen», sagt Tüting. Allerdings: «In China gibt es nur zwei Arten, Auto zu fahren: Stau oder mit konstant 120 km/h immer geradeaus auf der Autobahn.» Daher müssten die Modelle fahraktiver abgestimmt werden – und darum kümmert er sich mit einem aktuell 50-köpfigen Team.
Mit Omoda und Jaecoo lanciert Chery gleich zwei Marken aufs Mal – erstere jugendlich-sportlich, letztere geht mehr in Richtung kantiger Offroader. Aber beide starten mit SUVs: Der Omoda 5 kommt mit einem 186 PS (137 kW) starken Turbobenziner und wird später elektrifiziert; beim Jaecoo 7 kommt zum gleichen Verbrenner später noch ein Plug-in-Hybrid hinzu. Aber andere neue Anbieter aus China setzen doch nur auf Stromer? «Wir sind kein Start-up», betont Tüting. Chery baue seit dem Start vor 26 Jahren Benziner – und die Ladeinfrastruktur in für die Marke wichtigen Märkten wie zum Beispiel Spanien sei noch sehr bescheiden: «Die Schweiz mag sehr weit beim Ladenetz sein, aber wir müssen Gesamteuropa im Blick haben.»
Händlerbetriebe statt Internet
Auch den Vertrieb geht Chery konservativ mit Händlern vor Ort statt Onlineverkauf an. «Wir wollen Vertrauen aufbauen», sagt Tüting, das gehe nur mit Präsenz. Bislang fährt der Konzern mit dieser Strategie gut. Mag auch der chinesische Konkurrent BYD der grösste Stromerproduzent der Welt sein – Chery ist Chinas Auto-Exportmeister: Rund ein Drittel der 1,2 Mio. gebauten Autos 2022 wurde jenseits der Landesgrenzen ausgeliefert.
In grossen Märkten übernehmen eigene Vertriebsgesellschaften den Chery-Import, in kleinen wie der Schweiz will Tüting mit Importeuren vor Ort kooperieren. Die Gespräche liefen noch, betont er, aber ein Blick auf die Karte mit jenen 80 Märkten, in denen Chery heute schon vertreten ist, zeigt: In Chile, Bolivien und Peru zum Beispiel gibts schon Bande mit Astara, der Nummer drei unter den Schweizer Importeuren.
Mit Design, Technologie und Qualität statt Budgetpreisen sollen Omoda 5 und Jaecoo 7 überzeugen. Tönt nach dem Skoda-Rezept. Aber Tüting verweist auch auf Kia und Hyundai – was die beiden südkoreanischen Marken geschafft hätten, könne auch Chery schaffen, nur schneller. Basispreise von um die 28'000 Franken beim Omoda 5 und rund 30'000 Franken beim Jaecoo 7 dürften dabei dennoch helfen.