Jetzt kommen die Wechselakkus für E-Autos
Batterietausch statt lange Ladezeiten

Das Prinzip der Wechselakkus gegen lange Ladezeiten galt eigentlich als gescheitert. Zu teuer, nicht ausgereift und deswegen nicht praktikabel, lautete das Urteil. Doch jetzt feiert die Technik ein Comeback in China – und auch bei uns?
Publiziert: 22.09.2022 um 11:00 Uhr
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Aktualisiert: 22.09.2022 um 11:02 Uhr
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Rückkehr der Tauschakkus? Aktuelle XL-Batterien hatten eine Technik aus der Pionierzeit der Elektromobilität in den Hintergrund treten lassen: Die Idee der Wechselbatterie als Alternative zum langwierigen Laden.
Foto: Zvg
Wolfgang Gomoll

Bei den Stromern lautete das Motto bisher: schneller, mehr, länger – schneller Laden, mehr Batteriekapazität und länger rein elektrisch Fahren. Leistungsfähigere Batteriezellen ertüchtigen Elektromobile für kürzere Pausen an den Ladesäulen und Reichweiten, die jene von Verbrennern beinahe einholen. Doch jetzt wird eine Alternative salonfähig.

Denn die neuen XL-Batterien hatten eine Technik aus der Pionierzeit der Elektromobilität in den Hintergrund treten lassen: Die Idee der Wechselbatterie als Alternative zum langwierigen Laden. Das US-Start-up Better Place des israelischen Ex-SAP-Manager Shai Agassi (52) brachte die Idee des Tauschens statt Ladens ab 2007 auf. Grösster Vorteil: Statt per Schnellladung die Batterie zu stressen und allenfalls vorzeitigen altern zu lassen, kann sie langsam und schonend nach dem Tausch wieder aufgeladen werden.

Für Better Place gings nicht gut aus

Tesla fand das Konzept interessant, experimentierte mit Wechselstationen, gab das Projekt aufgrund mangelnden Kundeninteresses jedoch auf. Auch Renault-Nissan sprangen mit auf: Renaults Elektro-Limousine Fluence wurde gar mit Wechselakku angeboten. Doch die beiden Marken blieben die einzigen, die Batterieentwicklung überholte das Konzept, und ein markenübergreifender technischer Standard für die Akkus schien aussichtslos. Better Place ging 2013 Konkurs.

Jetzt will der chinesische Autobauer Nio, der in Kürze auch in Europa durchstarten will, alles besser machen. Und hat an zwei entscheidenden Stellen den Hebel angesetzt: Zum einen wird das Fahrzeug mittels einer Hebebühne in die Waagrechte gehoben und so perfekt ausgerichtet, dass das Wechseln der Energiespeicher problemlos vonstattengehen kann. Zum anderen hat Nio kräftig an der Kostenschraube gedreht. Die Stationen sind deutlich günstiger als bei Better Place und brauchen weniger Platz als das Vorbild – vier Parkplätze genügen. Laut Nio kann eine Wechselstation bis zu 70 Autos pro Tag mit neuen Akkus bestücken. Ein solcher Tausch dauert rund fünf Minuten.

China als Vorreiter

In China sind bereits rund 860 Stationen in Betrieb. Das Konzept der Austauschbatterien hat auch neuen Schwung bekommen, weil die chinesische Regierung diese Idee unterstützt und ein Pilotprojekt ins Leben gerufen hat, das mehr als 1000 Batteriewechselstationen vorsieht und über 100'000 entsprechende Autos auf die Strassen bringen soll. Insgesamt elf Städte sollen Vorreiter werden. Das Eingreifen des chinesischen Ministeriums für Industrie und Informationstechnologie soll verhindern, dass jeder der Anbieter sein eigenes Technologie-Süppchen kocht. Auf Wechselakkus setzen unter anderem Baic, Bjev, Saic Motor und Gac.

Wer ist Geely?

Geely ist die Konzernmutter von Lynk & Co, Volvo, deren Elektromarke Polestar und dem britischen Sportwagen-Leichtgewicht Lotus. Ausserdem baut das 1986 gegründete chinesische Unternehmen die typischen London-Taxis und hat ein paar China-Automarken unterm Schirm, von denen wir noch nie gehört haben. Seit 2018 gehören ihm 9,7 Prozent vom Daimler-Konzern. Im Jahr 2023 setzte Geely mit 120'000 Mitarbeitenden umgerechnet über 22,4 Milliarden Franken um.

Geely ist die Konzernmutter von Lynk & Co, Volvo, deren Elektromarke Polestar und dem britischen Sportwagen-Leichtgewicht Lotus. Ausserdem baut das 1986 gegründete chinesische Unternehmen die typischen London-Taxis und hat ein paar China-Automarken unterm Schirm, von denen wir noch nie gehört haben. Seit 2018 gehören ihm 9,7 Prozent vom Daimler-Konzern. Im Jahr 2023 setzte Geely mit 120'000 Mitarbeitenden umgerechnet über 22,4 Milliarden Franken um.

Allein der chinesische Autobauer Geely will im Heimatmarkt bis zur Mitte der Dekade 5000 Batteriewechselstationen errichten und hat dafür eigens ein Joint Venture mit Lifan Technology gegründet. Auch Catl – einer der grössten Batteriehersteller der Welt, der unter anderem auch mit BMW zusammenarbeitet – hat ein Akkuwechselsystem in der Mache. Sein Tochterunternehmen Caes hat Anfang des Jahres eine Akku-Tauschlösung vorgestellt, die mit verschiedenen Fahrzeugen funktioniert.

Und in Europa?

Die Wechselakkus werden auch nach Europa kommen. Nio hat bereits in Norwegen Fuss gefasst und will noch in diesem Jahr die ersten Stationen in München (D) und Berlin (D) errichten. In den USA tut sich in und um San Francisco etwas, wo das Start-up Ample fünf Batterietauschstationen speziell für elektrifizierte Uber-Fahrer betreibt. Dabei soll es nicht bleiben: Ample ist Partnerschaften mit den Investoren Shell und Eneos eingegangen, um weitere Projekte in den USA und Japan zu anzukurbeln.

Dies alles ist nicht unbemerkt geblieben. Auch Toyota arbeitet inzwischen an Wechselakkus. Der japanische Kurierdienst Yamato Transport und Toyotas Commercial Japan Partnership Technologies Corporation – bei der auch Suzuki und Daihatsu an Bord sind – entwickeln gemeinsam standardisierte Batteriekassetten für kommerziell genutzte E-Fahrzeuge. Gerade bei Nutzfahrzeugen ergeben Wechselakkus Sinn, denn die Batterien können getauscht werden, während der LKW beladen wird. Und sind die Transporter unterwegs, kann der Wechselakku wieder geladen werden. Klar ist aber auch, dass der Batterietausch nicht die alleinige Lösung sein kann – aber eine Ergänzung zur normalen Ladeinfrastruktur.

Noch lehnt man sich in den Entwicklungsabteilungen der etablierten Automobilhersteller entspannt zurück und beobachtet. Aber sollte das Konzept in China aufgehen, werden auch sie sich mit dem Thema auseinandersetzen müssen. Schliesslich ist China längst der wichtigste Automarkt der Welt.

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